Friday, November 19, 2010

Irland ist nicht Griechenland

Nein, Irland ist schlimmer. Warum? Weil bei Irland der Kapitalschnitt die einzig vernünftige Lösung ist.

Griechenland hat über seine Verhältnisse gelebt. Es hat zu wenig auf die Produktivität seiner Wirtschaft geachtet, zu sehr den öffentlichen Wohlfahrtsstaat ausgebaut, vielleicht auch um über die Nachteile der Korruption hinwegzutäuschen. Griechenland ist wie ein überschuldeter Konsument, der neu lernen muss, wie man mit Geld umgehen muss. Es muss seine Sozialsysteme reformieren und es muss einen neuen gesellschaftlichen Konsens finden, der Korruption geisselt und all diejenigen zur Kasse bittet, die von der Misswirtschaft profitiert haben. Ein harter Kurs gegenüber Griechenland ist notwendig, angemessen und wird ggf. tatsächlich zu einem Umdenken bei den Helenen führen. Hoffentlich.

Irland dagegen hat keine Chance, seine Schuldenlast, die auch ganz wesentlich durch ein völlig überzogenes Finanzsystem und falsche Steueranreize geschaffen sind, geordnet zurückzuzahlen. Würde Irland es probieren, müssten die Steuersätze extrem angehoben werden und Irland die Luft zum "wirtschaftlichen Atmen" nehmen. Dazu ist das Land zu klein und die Wirtschaft zu wenig diversifiziert. Man würde die Iren auf den Stand eines Entwicklungslandes in der EU zurückwerfen. Natürlich hat Irland zu seiner Misere erheblich beigetragen, in dem es massive Steueranreize gesetzt hat, die letztlich zum irischen Wirtschaftswunder und zur Aufblähung des Finanzsektors geführt haben. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass zum Beispiel Deutschland einer der größten irischen Gläubiger ist - HRE lässt Grüßen. Denn die HRE-Tochter Depfa plc, ehemals die grundsolide Deutsche Pfandbriefanstalt Wiesbaden, hat in Irland kräftig mitgemischt. Irland von den Lasten der Finanzkrise zu entschulden ist ebenso notwendig wie bei einer systemrelevanten Bank.

Merkels Kurs, die Gläubiger endlich an den Lasten zu beteiligen, ist richtig. Da Deutschland kräftig mitbezahlen würde, klingt dies paradox. Sie weiß aber auch, dass noch ganz andere mit im Boot sitzen, Großbritannien als größter Gläubiger oder auch die USA. Sie weiß, dass die deutsche Rechnung bei einem beherzten "Cut" kleiner ausfallen dürfte, als wenn Irland zum Präzedenzfall eines europäischen "Finanzlastenausgleichs" würde.

Die Kunst besteht darin, Irland durch einen Schuldenschnitt zu helfen, OHNE den Griechen diesen Ausweg zu eröffnen. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Monday, November 15, 2010

Nikkei mit Chancen

Der japanische Aktienmarkt, lange Zeit das verschmähte Sorgenkind der Anleger, gerät – welch eine Überraschung - positiv ins Blickfeld der Investoren. Das von sentix gemessene Anlegersentiment hat sich deutlich verbessert. In den letzten beiden Wochen haben sich die mittelfristigen Stimmungswerte von +20 auf +35 fast verdoppelt. Während sich die Stimmungswerte zu anderen wichtigen Aktienmärkten zwar auf gutem Niveau behaupten, aber nicht mehr verbessern konnten, sticht die Entwicklung in Japan angenehm hervor. Diese Sentimententwicklung ist eine wichtige Voraussetzung für Positionsaufstockungen.

Parallel zu dieser Entwicklung senden auch die Marktpreise konstruktive Signale. Der Topix-Index ist in eine Bodenbildung übergegangen und hat mit dem Bruch der 850er Widerstandslinie ein technisches Kaufsignal geliefert.

Am Aktienmarkt sind Sentiment und Chart demnach in einer vielversprechenden Ausgangslage. Der Schlüssel zu weiteren Kursavancen bei den Aktien liegt jedoch am Devisenmarkt. Der Versuch der japanischen Notenbank, den Yen zu Schwächen, war bislang erfolglos. Jetzt scheint es der Markt alleine richten zu wollen. 83 Yen je Dollar lautet die entscheidende technische Hürde. Würde diese gebrochen, hätte der Markt alleine ein Signal für eine Yen-Schwäche zustande gebracht. Vielleicht ruht hierauf die Hoffnung der Investoren.

In Tokio könnte die Sonne zur Abwechslung auch einmal wieder aufgehen.

Thursday, November 4, 2010

Die Folgen von QE

Die FED hat Fakten geschaffen: bis zu 850 Mrd. USD sollen als Liquidität in die Märkte gepumpt werden, um die Wirtschaft zu beleben. So die offizielle Lesart. Aber was bedeutet QE in der gewählten Form wirklich?

Guter Rat ist teuer in diesen Tagen. Mehr und mehr gewinnt man den Eindruck, dass wir auf dem "Weg zur Abscheu", wie wir es im Jahresausblick 2010 titelten, mal wieder ein Stück voran gekommen sind. Kann es der FED überhaupt gelingen, durch QE - also den Ankauf von Staatsanleihen gegen Barliquidität - die Wirtschaft zu beleben, oder sind die wahren Absichten ganz andere?

Fakt ist jedenfalls, dass es der US-Wirtschaft wohl nicht an billigen Krediten mangelt. Das Zinsniveau weiter nach unten zu manipulieren, wird kaum die Realwirtschaft ankurbeln, wenn heute schon die Unternehmen mehr als überliquide Bílanzen haben und einfach nicht investieren wollen, da sie zurecht sehen, dass die Welt kaum mit Produkten und Dienstleistungen unterversorgt ist. Auch der US-Konsument hat sein Verschuldungsproblem erkannt und ist im Sparmodus. Der Wirkungszusammenhang von Wirtschaft (exemplarisch durch den Aktienmarkt repräsentiert) zu Konsumentenvertrauen hat sich deshalb auch erwartungsgemäß aufgelöst.


S&P 500 (blau) und diverse US-Konsumentenstimmungsindizes

Wie töricht müssen Notenbanker sein, um dies nicht zu erkennen? Soviel Verstand muss man selbst einem Bernanke zugestehen, dass er zwar vorgibt durch QE die Wirtschaft zu beleben, aber im Grunde genommen weiß, das dies direkt nicht so geschehen wird. Die wahren Absichten müssen andere sein.

Bliebe als Variante 1 die Absicht, eine Asset-Preis-Inflation zu erzeugen, also durch die Liquidität die Nachfrage nach Anlagen - vor allem Aktien - zu stärken. Die Logik: steigende Aktien - höheres Wohlstandsniveau - bessere Stimmung. Aber auch hier zeigt die oben stehende Grafik klar, dass dieser Mechanismus derzeit gebrochen ist. Es ist sehr schwer, die Leute überhaupt in eine Investition am Aktienmarkt hineinzubewegen.

Variante 2, echte Inflation zu erzeugen, erscheint derzeit auf direktem Wege nicht so sehr die Motivation zu sein. Denn "Helikopter-Ben", wie der FED-Chef auch genannt wird, wirft sein Geld gezielt nur über Manhattan ab (er setzt also auf die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems), statt direkt das Geld in die Portmonees der Menschen zu bringen. Nur letzteres hätte eine unmittelbare Inflationswirkung.

Nein, er setzt offenbar darauf, dass Wall Street noch funktioniert. Variante 3. Was passiert, wenn die Banken ihre Staatsschulden los werden? In Zeiten, wo Basel III vor der Tür steht, wäre dies eigentlich gleichbedeutend mit einer Verringerung der Kredite, da ja die Reserven in Staatsanleihen gehalten werden sollen - es sei denn, die USA haben gar nicht vor, sich an Basel III zu beteiligen. Die Banken müssten eigentlich die Anleihen wieder zurückkaufen. Auch dies kann nicht das Ziel sein. Nein, ich glaube Bernanke vertraut darauf, dass die Liquidität spekulativ investiert wird. In Rohstoffen und außerhalb des US-Dollar-Raumes. Das Ziel der Geldpolitik scheint eine explizite Schwächung des US-Dollars zu sein.

Warum? Vielleicht um über steigende Rohstoffe die Chinesen zur Aufwertung zu zwingen. Denn bislang ist der Yuan an den USD mehr oder weniger noch gekoppelt. Und ein schwacher Dollar bei steigenden Inputkosten aus dem Rohstoffbereich erzeugen einen Inflationsdruck in China. Und wie wir bereits 2008 gesehen haben, sind vor allem steigende Nahrungsmittelpreise eine der größten Bedrohungen für das Regime in Peking.

Nicht umsonst sprechen Regierungsvertreter in den USA davon, dass Amerika sich gegen andere, erfolgreiche Länder behaupten muss, die es als Gegner betrachtet. Man sieht in der guten Wirtschaft in anderen Teilen der Welt keinen Pluspunkt, keine Chance, keine Aufforderung zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Stattdessen ist man neidisch und will, dass die erfolgreichen Nationen ihre Dynamik aufgeben und mit den USA "teilen". Eine fatale Haltung, die steigende Spannungen im Welthandel wohl weiter forcieren wird.

Somit scheint das eigentliche Ziel der US-Politik klar, nämlich die strukturelle Schwächung des Dollars. Inflatorische Rückkoppelungen werden zunächst hingenommen. Dabei wird aber eventuell übersehen, dass man einen Kampf um Ressourcen anzettelt und steigende Rohstoffkosten wie Steuererhöhungen in den USA wirken. Soweit denkt man anscheinend nicht.

Auch nicht daran, dass die Aufforderung an die internationale Spekulation eine Aufforderung zum Tanz auf dem Rohstoffmarkt ist. Steigende Preise dort treffen die Ärmsten der Armen hart und damit ist diese Art Spekulation zutiefst unmoralisch - verabscheuungswürdig. Aber wir befinden uns ja auf der "Strasse zur Abscheu" ...

Die Eurozone dagegen scheint da schon fast ein Hort der ehernen Prinzipien. Wir sparen und wollen "vernünftig" die Krisenfolgen bewältigen. Das wird uns einen festen Euro bescheren und damit den Inflationsdruck steigender Rohstoffpreise mildern. Da wir mit den Wachstumslokomotiven währungstechnisch in einem Boot sitzen und die Amerikaner trotz schwachem Dollar gar nicht wissen, was sie auf den Weltmärkten verkaufen sollen (jedenfalls keine GM-Autos), wird uns der starke Euro nur sehr verzögert treffen. Im Gegenteil, wir dürften sogar von einer Art inversem J-Kurven-Effekt profitieren. In der Peripherie dürften die deflatorischen Tendenzen sogar dominant bleiben. Der Preis der Eurozone dürfte sein, so man denn die Linie beibehalten will, dass es bei Griechenland, Irland und / oder Portugal wohl früher oder später zum Schwur kommen wird, ob man wirklich die Gläubiger beteiligen will - oder doch noch den amerikanischen Weg einschlagen wird. Man wird sehen.

Wo führt uns das Ganze hin? Die Abscheu vor der aktuellen Finanzkultur wächst. Doch die Versuchung (und vielleicht auch die Notwendigkeit), die angefachte Liquiditätshausse mitzuspielen, ist da. Ein fester Euro, eine noch stärkere Fokussierung auf Rohstoffe und eine weiter steigende Gefahr von Protektionismus und Handelsstreitigkeiten scheinen wahrscheinliche Ergebnisse von QE2 zu werden.