Wednesday, September 29, 2010

Hartz IV

Viel wird in diesen Tagen über die Anpassung der Hartz IV-Sätze diskutiert. Sind €5 zu viel oder zu wenig? Das soll hier nicht die Frage sein. Ein anderer Aspekt der Neuregelung könnte viel entscheidender sein ...

Die Auflage des Bundesverfassungsgericht sieht vor, dass die Festsetzung der Hartz IV-Sätze nicht willkürlich erfolgen darf, sondern sich am Bedarf der untersten Einkommensgruppen orientieren muss. Die derzeitigen Sätze sind demnach nicht statisch, sondern bedürfen der laufenden Überprüfung und Anpassung.

Dabei wurde eine simple Methode der Anpassung erwogen: die Koppelung an die Inflationsrate und die Lohnentwicklung der unteren Einkommensgruppen. Übergangsweise soll dies in den nächsten zwei Jahren so praktiziert. Achten wir darauf, dass dies keine Dauerregelung werden wird!

Warum wäre dies gefährlich?

Ca. 6,6 Mio. Menschen beziehen Hartz IV-Leistungen (gem. Statistischem Bundesamt, Ende 2008), also fast 10% aller Menschen in Deutschland. Sie sind auf eine Grundsicherung angewiesen. Natürlich stellen steigende Lebenshaltungskosten für diese Menschen ein Problem dar, andererseits müssen diese Leistungen aus dem Steueraufkommen - und damit der Wirtschaftsleistung - erbracht werden.

Wenn nun diese Leistungen "automatisch" an die Lebenshaltung gekoppelt würden, träte ein doppelt fataler Effekt ein:
  • 10% der Bevölkerung kämen in den Genuß automatischer Lohnerhöhungen. Etwas, was den meisten "aktiven" Arbeitnehmern verwehrt bleibt - aus guten Gründen. Die Gefahren einer Lohn-Preis-Spirale ähnlich der 70er Jahre wäre damit wieder gegeben
  • Der Anreiz zur Aufnahme von Arbeit würde in geradezu grotesker Weise untergraben
Ausgerechnet diejenigen, die eine geringe volkswirtschaftliche Produktivität haben (tut mir leid, aber so ist es nun einmal), hätten die beste Absicherung ihres "Standards". Jeder Arbeitnehmer muss sich seine Lohnerhöhungen erstreiten, dies wäre bei den Transferempfängern ausgesetzt. Man müsste ja geradezu einem jungen Menschen ohne Aussicht auf ein mittleres oder hohes Einkommen empfehlen, den "Arbeitgeber zu wechseln".

Viele Teile der Erwerbsbevölkerung haben in den letzten Jahren die Bekanntschaft mit einer äußerst unangenehmen Entwicklung gemacht - real stagnierenden oder sogar fallenden Löhnen. Ein wesentlicher Anteil an dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft drückt sich hierin aus. Die eine Hälfte der Bevölkerung ist gut ausgebildet und kann seine "Produktivität" in höhere Löhne umsetzen, die andere ist "Globalisierungsopfer" und bekommt eine Reallohnkürzung nach der anderen präsentiert. Dies ist für sich genommen schon eine Problemlage mit enormer gesellschaftlicher Sprengkraft (siehe sentix Jahresausblick 2010). Jetzt am unteren Ende auch noch einen Automatismus zur Anpassung nach oben einzubauen, würde diese Sprengkräfte enorm verstärken.

Sich also um +/- 5 Euro zu streiten erscheint geradezu lächerlich, angesichts ganz anderer Bedrohungen unserer Wirtschaftsordnung.

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