Sunday, November 6, 2011

Goodbye sentix-Blog, hello new sentix-Blog

Mit diesem Posting schließt der sentix Blog seine Pforten bei Blogger.com!

Ab heute geht die neuen sentix Webseite live und der Blog findet dort seine neue Heimat unter http://www.sentix.de

Auf der Startseite finden Sie den direkten Menülink zum Blog, alternativ loggen Sie sich in My sentix ein und wählen dann "Analyse" -> "Blog"

Künftig wird es Beiträge in drei Kategorien geben:

  • Public: diese Beiträge kann jedermann, auch ohne sentix Registrierung, lesen
  • Community: diese Beiträge kann man lesen, wenn man bei sentix registriert ist
  • Community Activity: diese Beiträge kann man lesen, wenn man sich aktiv an der Umfrage von sentix beteiligt hat oder den Comfort Zugang gebucht hat
Wir freuen uns, Sie alle im neuen sentix Blog wiederzusehen!

Thursday, November 3, 2011

Kommt der Rettungs-Hebel gut an?

Einige Tage nach den Beschlüssen der EU-Regierungschefs zur Bekämpfung der Schuldenkrise in Europa haben die Anleger genug Zeit gehabt, die gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten. Eine erste Reaktion war im sentix Datenkranz vom vergangenen Wochenende sichtbar: Das mittelfristige Stimmungsbild fiel erneut ab, eine herbe Quittung für die Politik. Denn der vehemente Kursanstieg nach der Beschlussfassung lies eigentlich eine Kehrtwende vermuten. Eine sentix-Sonderbefragung sollte mehr Klarheit bringen, wie die getroffenen Maßnahmen letztlich beim Investor ankommen. Was meinen die Investmentprofis?


Auffällig ist, dass die Beschlüsse in der Gesamtbewertung überwiegend positiv aufgenommen werden, während die eigentlichen Problemfelder "Schuldentragfähigkeit" und "Ansteckungseffekte" keine Entlastung anzeigen. Welche Haltung nehmen die Privatanleger hierzu ein?


Bei den privaten Anlegern tritt die Dissonanz zwischen Endergebnis und Teilbereichen noch stärker in Erscheinung. Das Bewusstsein für die einzelnen Problemfelder (Ratio) signalisiert keine Verbesserung, das Gesamturteil (Emotion) zeigt eine deutliche Verbesserung an. Die offensichtliche Diskrepanz legt die Vermutung nahe, dass die stark steigenden Aktienpreise nach den Beschlüssen die Anleger beeindruckt und damit die Gesamtbeurteilung beeinflusst haben.  Es ist als Fazit leider davon auszugehen, dass die fallenden 6-Monatserwartungen die eigentliche Tendenz für die Aktienmärkte weiter vorgeben (Linie in orange, Dax in blau).

Thursday, October 20, 2011

Märchenstunde mit Onkel Wolfgang

Nun steht er also unmittelbar bevor, ein mal wieder entscheidender Euro-Gipfel, der einen großen Wurf - zumindest aber eine signifikante Besserung in der Euro-Schuldenkrise bringen soll.

Über die neue Wunderwaffe "Hebel" und die Ansteckungseffekte DURCH die verfehlte Rettungspolitik haben wir im letzten Blog-Beitrag ausführlich gesprochen.

Was mich aber richtig ärgert, ist die Lügenpolitik der Regierung, mit der unsere in weiten Teilen unwissenden Abgeordneten und die Bevölkerung ruhiggestellt werden sollen.

Denn der Garantierahmen des EFSF von ca. 440 Mrd. Euro (davon entfallen ca. 210 Mrd. Euro bislang auf Deutschland) wird ja angeblich nicht aufgestockt, nur die Feuerkraft erhöht. Also alles kein Problem?

Natürlich nicht. Eine Hebelung des EFSF stellt eine substantielle Verschlechterung für den Steuerzahler dar. Aus ganz einfachen Gründen. Gehen wir davon aus, ein Schuldner schuldet 100 Euro. Diese sind zu 20% ausfallgefährdet, mithin müsste ich, wenn ich in diesen Schuldner investiere, mit einem Verlust von 20 Euro rechnen.

Auf meinen ungehebelten Einsatz von 100 Euro entfallen also 20 Euro Verlust, ich würde demnach 80 Euro zurückbekommen. In Sachen EFSF heißt dies, dass bei einem Einsatz der 440 Mrd. Euro zum Kauf maroder Staatsanleihen rund 100 Mrd. Euro echte Verluste drohen könnten. Angesichts der Tatsache, dass unsere Regierung immer betont, die Euro-Rettung würde uns nichts kosten sondern sogar Geld einbringen, finde ich echte absehbare Verluste von > 40 Mrd. Euro schon bemerkenswert.

Im Falle einer Hebelung sieht die Sache wie folgt aus: investiere ich in den oben beschriebenen Schuldner nun die 5fache Summe, dann ist das erwartete Risiko auch 5mal so hoch, also statt 20% -> 100%! Die Haftungssumme steigt zwar nicht, aber die Wahrscheinlichkeit für die Haftung steigt rapide. Im Ernstfall sind also die gesamten 440 Mrd. Euro im EFSF weg. Wie Deutschland echte Verluste in einer Größenordnung von rund 210 Mrd. Euro verkraften will (nicht nur finanziell, sondern auch politisch!), ist mir schleierhaft.

Zudem wirkt der ebenfalls in diesem Blog schon mehrfach beschriebene "sunk cost effect", der Neigung von uns Menschen, noch mehr zu investieren, um weitere Verluste zu vermeiden. Es ist ein natürlicher Reflex der meisten Menschen, zumindest eine zeitlang in ein Fass ohne Boden zu investieren, wenn ich das Fass als solches nicht erkenne oder - wie im Falle der Euro-Politik - aufgrund von Dogmen, Voreingenommenheiten und selbstauferlegten, "alternativlosen" Denkverboten ein bodenloses Fass zu einer großartigen europäischen Idee umdeklariere.

Immer wieder zu hörende "Überzeugungen" von unseren "Eliten", der Euro und alle Euro-Länder müssten gerettet werden "koste es was es wolle", klingen in meinen Ohren wie eine fürchterliche Drohung. Zum einen wegen einer "Endsieg-Rhetorik", welche die Völker der Welt schon einmal in den Untergang geführt hat. Zum anderen weil die Geschichte lehrt, dass wir bekommen, was wir wollen. Es wird also furchtbar teuer!

Ich fordere, dass jeder Politiker, der diesem Wahnsinn weiterhin zustimmt, persönlich gesamtschuldnerisch und unbegrenzt haftet, genau so, wie er es dem Steuerzahler zumutet!

Hinzu kommt, dass bereits heute schon erhebliche echte Verluste bei der EZB bzw. im EZB-System aufgelaufen sind. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass mit Sicherheit bereits hohe dreistellige Milliardenverluste entstanden sind - und alle anderslautenden Märchen von Onkel Wolfgang eben Märchen sind.

Ein weiterer Meilenstein ist, dass mit dem gehebelten EFSF, um die "Feuerkraft" noch weiter zu erhöhen, die ersten Verlustrisiken abgedeckt werden. Damit würde die Finanzlobby sogar noch um ihren ohnehin schon zu geringen Beitrag in der Staatsschuldenkrise erleichtert. Unser Vorschlag vom Ende des letzten Jahres, alle Anleihen durch einen Put zu versichern, ist das genaue Gegenteil: hier würde eine solider Bodensatz garantiert und die ersten Verluste beim Investor verbleiben. Auch diese spontane Umwidmung erhöht die Risiken des Steuerzahlers weiter. Und all dies wahrscheinlich nur, weil der kleine Sarkozy seinen Laden nicht im Griff hat.
Der absehbare große Wurf mag vielleicht mal wieder ein Strohfeuer zünden. Ein "All-In der Politik" kann funktionieren und den Spieler eine Weile länger am Tisch halten. Aber wer so riskant und unsolide am Pokertisch mit fragwürdigen Blättern und Bluffs zu hohe Einsätze wählt, wird auf Sicht als Verlierer den Tisch verlassen - mit nichts in der Hand als einem großen Erfahrungsschatz. Die Lizenz zum Spielen, die wir berechtigterweise bei den Banken nicht mehr sehen wollen, darf in keinem Fall in die Hände von Politikern gelangen, denen es so sehr an finanzieller Fachkompetenz mangelt.

Sunday, October 2, 2011

Ansteckungseffekte und Hebel

Viel ist in diesen Tagen von Ansteckungseffekten die Rede. Die Politik vergrößert Rettungsschirm um Rettungsschirm, um andere Euro-Länder vor einer Ansteckung zu schützen. Es besteht die Furcht, dass das griechische Überschuldungs-Virus auf andere Länder übergreift. Deshalb soll mit noch mehr Garantien eine Abschirmung von in Verruf stehender Staaten stattfinden.

Doch diese Logik steht auf ganz schwachen Füßen und zwar deshalb, weil genau diese Rettungspolitik die Ansteckung vorantreibt.

Was ist die Ausgangslage der einzelnen Euro-Staaten: mehr oder weniger sind alle Euro-Staaten hoch bis zu hoch verschuldet. Griechenland stellt "nur" das mit Abstand größte Schuldenproblem dar, da es nicht nur mit rund 165% des BIP in der Kreide steht, sondern zudem - wie es so schön im Wirtschaftsdeutsch heißt - über kein "Geschäftsmodell" verfügt.

Nun soll also Griechenland "abgeschirmt" werden und dazu geben andere Länder Garantien entsprechend ihrem Anteil an der Euro-Wirtschaftsleistung ab. Doch hier irrt die Politik zum ersten Mal: denn während sich die Politik die Garantien schön redet und meint, dies seien keine echten Ausgaben, geht der Markt - meiner Meinung nach zu Recht - davon aus, dass die für Griechenland garantierten Beträge effektiv verloren sind.

Und deshalb addiert der Markt die jeweilige Garantiesumme zu den Schulden der garantiegebenden Staaten hinzu. Sehr früh, nämlich bereits Anfang diesen Jahres, erkannte man, dass es keinen Sinn macht, wenn die in Not geratenen Staaten für ihre eigenen Garantien einstehen. Man umschrieb es dann schön mit den Worten, dass es eine Differenz zwischen der Größe des Rettungsschirms (nach der EFSF-Erhöhung beträgt diese nun € 780 Mrd.) und der "effektiven Ausleihkapazität" (nun € 440 Mrd.) gibt.

Auf Italien entfallen nun also rund 20% dieser 780 Mrd. Euro und der "böse" Markt addiert demnach rund € 150 Mrd. auf die ohnehin hohe italienische Staatsschuld. Klar, dass der Markt sich Italien zu verweigern beginnt. Selbst eigentlich noch robuste Staaten wie Frankreich drohen bei einer solchen Vorgehensweise zu "kippen".

Faktisch besteht nun die Gefahr, dass sich die Ratings weiterer Staaten verschlechtern und diese ebenfalls nicht mehr für die Ausleihkapazität des EFSF zur Verfügung stehen. Mit dem Ergebnis, dass der Anteil der verbliebenen Retter-Staaten steigt und diese letztlich selbst zu Notfällen werden. Man stelle sich vor, wie es um die Solvenz Deutschlands bestellt wäre, wenn wir die kompletten € 440 Mrd. schultern müssten?

Der Kernpunkt ist der: wenn die garantierten Verbindlichkeiten von Griechenland und Co. werthaltig wären, würde ein entsprechender Garantieschirm die derzeitige Schuldenspirale beenden können, denn in diesem Fall wäre der Markt zu Unrecht negativ auf die Euro-Staaten eingestellt. Doch wenn die in Frage stehenden Schulden tatsächlich wertlos sind und die Retter selbst schon sehr geschwächt sind, dann ist das Spannen von Rettungsschirmen der Treiber der Ansteckung. Die derzeitige Politik wird demnach mit hoehr Wahrscheinlichkeit zu einer dramatischen Eskalation der Krise - zumindest auf mittelfristiger Sicht - führen. Alles begann mit "wertlosen" Schulden Griechenlands von ca. € 300 Mrd. Euro. Entstehen wird ein Flächenbrand.

Die Politik begründet ihre derzeitige Vorgehensweise auch gerne damit, den sogenannten Lehman-Punkt zu verhindern. Doch die Rettung Griechenlands bzw. das Scheitern ist mit Lehman nicht zu vergleichen. Gerade weil Griechenland ein kleines Land ohne allzu große Verflechtungen in die Weltwirtschaft ist, wäre hier eine Umschuldung nicht nur ökonomisch angebracht, sondern auch durchführbar. Eine solche Umschuldung würde m.E. auch nicht einen Austritt aus dem Euro zwingend gebieten. Wir beenden ja auch nicht den Euro, wenn ein großes Unternehmen Pleite geht.

Aber eine solche Maßnahme würde natürlich den Machtverlust der Regierung in Athen bedeuten und unangenehme Fragen für alle anderen Euro-Regierungen bedeuten. Denn die bislang verschleppte Rettungstaktik hat die Kosten für den Steuerzahler massiv erhöht, da sich bereits viele Gläubiger aus dem Anleihemarkt verabschiedet haben (und die Bonds bei der EZB abgeladen haben) und die bereits längst begonnene Kapitalflucht innerhalb der EZB die Targetsalden derart beeinflusst haben, dass hier im Falle einer Griechenland-Insolvenz zusätzlich erhebliche Abschreibungen entstehen dürften.

Psychologisch dominiert damit der "sunk cost effect", der es den Menschen erschwert, von einem Verhalten abzulassen, welches sich zu einem großen Verlust ausgeweitet hat. Getreu dem Motto: "wir haben jetzt schon so viel verloren, wir müssen nun noch mehr investieren". Der Volksmund weiß, dass man schlechtem Geld kein gutes hinterher werfen soll. Doch Verlustbegrenzung fällt nicht nur Börsianern schwer. Erinnert sei zum Beispiel an den Vietnam-Krieg, den die US-Regierung erst aufgab, als er nicht mehr finanzierbar war - und nicht bereits dann, als absehbar war, dass er militärisch nicht mehr zu gewinnen war.

In Kriegsoperationen gilt der weise Ausspruch: "bevor du reingehst, musst du wissen wann und wie du wieder rauskommst". Dieser Grundsatz wurde in Vietnam verletzt und er wird es derzeit wieder in Afghanistan und im Irak. Alle diese Operationen fordern enorme Opfer, sind nicht mehr zu gewinnen. Auch sie werden erst unter enormem ökonomischen Druck beendet.

Wie kommen wir aber nun aus diesem "Krieg der Euro-Rettungspolitiker gegen den Markt" wieder heraus?

Die Antwort der Politik heißt nun: "hebeln". Die Politiker könnten auch sagen: "wollt ihr den totalen Krieg"?

Eine solche "Hebelung" hätte vordergründig den Charme, dass die Politik in die Lage versetzt würde, bei einem beispielsweise 5-fachen Hebel den Markt mit einer Kaufkraft von € 2.000 Mrd. zu beeinflussen. Das wird natürlich zunächst jede Spekulation gegen die Euro-Staaten im Keim ersticken. Doch der Konstruktionsfehler liegt simpel darin, dass damit der Schiedrichter ins Spiel eingreift - die Politiker entscheiden über die Werthaltigkeit der von ihnen selbst verursachten Schulden.

Da Politiker im Allgemeinen nicht dazu neigen, mit dem Geld anderer Leute verantwortungsvoll umzugehen, wird damit jegliche Schuldenmoral im Kern untergraben. Man stelle sich vor, jeder Schuldner könnte die Werthaltigkeit des eigenen Kredites bestimmen? Mister Ponzi lässt grüßen.

Nie und nimmer wird damit Schuldnerdisziplin einkehren. Es wird immer Gründe für die Politik in jedem Land geben neue Schulden zu machen - und dank des Super-Rettungsschirms werden die Marktpreise so verzerrt, dass am Ende sogar die Politiker glauben, ihre Schuldenpolitik wäre "solide".

Wehret den Anfängen - dies gilt in Sachen Euro-Rettung wie selten zuvor. Die angebliche Ansteckung im Euroraum wird nicht durch die Rettungsschirme bekämpft, sondern die Rettungsschirme sind die Ursache für die Ansteckungseffekte. Und über einen gehebelten EFSF dürfte die Märkte zwar anfänglich jubeln, es wäre wohl aber der endgültige Startschuss für den vollständigen ökonomischen Niedergang Europas und das Ende des Euros.

Wenn sich dann gegen Ende des Prozesses einzelne Staaten diesem Irrsinn verweigern und die völkerrechtlich bindenden Wirkungen der heute zur Abstimmung stehenden Verräge ablehnen, dann in der Tat kann das Scheiterns des Euros sogar eine Frage von Krieg und Frieden werden.

Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein Parlament Entscheidungen mit großer Mehrheit trifft und bejubelt, die es später bitter bereut.

Thursday, September 15, 2011

Mogelpackung "Blue und Red Bonds"

Die Idee der Eurobonds versucht ein Comeback. Offensichtlich schert es manche Politiker und Medien überhaupt nicht, dass selbst das regierungsfreundliche Bundesverfassungsgericht solche Gedankenspiele verbietet. Warum also wird immer wieder diese Leier gespielt?

Die Probleme und die Ratlosigkeit von Politikern und Ökonomen muss groß sein, dass man immer wieder diesen Weg als Lösung präsentiert. Eine undemokratischere und marktfernere Lösung kann man sich nicht vorstellen.

Eine Spielart, die immer wieder genannt wird um Eurobonds weniger gefährlich erscheinen zu lassen, ist diese nur zur Finanzierung der Staatsschulden bis zu 60% des BIPs (der ehemaligen Maastricht-Grenze) einzusetzen. Das Problem aller Krisenländer sind jedoch nicht die ersten 60% der Schulden, sondern die Gesamthöhe bzw. der über 60% hinausgehende Teil. Ein Schuldner haftet immer für alle Schulden und es ist egal, welcher Teil der Schulden am Ende das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die so genannten Blue Bonds, also die gemeinschaftlich finanzierten Bonds, hätten vielleicht niedrigere Zinsen, aber die Red Bonds, also die Länder-individuellen Anleihen, wären umso teurer. Zudem ließe sich eine Haftung kaum auf die ersten 60% begrenzen, da im Falle einer drohenden Überschuldung und eines Ausfalls der Red Bonds die in Solidarhaftung stehenden Länder zur Hilfszahlung genötigt wären, um die Haftungsfall auch für die Blue Bonds zu verhindern. (Stichwort: sunk cost effect)

Wir betrachten diese Diskussion als geschicktes Ablenkungsmanöver. Denn würde man diesem Konstrukt zustimmen, würde Griechenland für Jahre erstmal alles was zu refinanzieren ist, als Blue Bond deklarieren. Vermeintlich löst sich damit die Schuldenkrise, da für ca. 2-4 Jahre gar keine Red Bonds an den Markt kämen. Doch außer das Druck vom Schuldner weicht, wäre nichts erreicht. Das dicke Ende käme, sobald die 60%-Quote ausgeschöpft ist und die Red Bonds zur Platzierung anstehen. Cui bono (wem nutzt es?) - Eurobonds nutzen nur den schlechten Schuldnern, definitiv tragen sie nicht zur nachhaltigen Gesundung in der Überschuldungskrise bei.

Ein klares NEIN zu Eurobonds!

Pinocchio des Tages

Vor einigen Monaten hat das Handelsblatt eine neue Rubrik geschaffen, den "Pinocchio des Tages". Ziel der Rubrik ist es, historische Statements von Politikern und Prominenten mit der tatsächlichen Entwicklung zu kontrastieren und so den Sender der Botschaft der Lüge oder Unkenntnis zu überführen. Heute wurde dem Pimco-Chef Bill Gross eine lange Nase gezeigt.

Mich nervt diese Rubrik. Wir alle können, dürfen und müssen manchmal die eine oder andere Information für uns behalten oder ein "Ablenkungsmanöver" starten. Das gehört zur Politik wie zur Diplomatie. Schon immer war der Grundsatz "cui bono", wenn es galt Statements anderer einzuschätzen, hilfreich.

Gerade im Fall von Bill Gross finde ich aber solchen Tadel, obwohl wir selbst schon damals unsere Bedenken an seiner Marktmeinung äußerten, unangebracht. Er hat eine Markterwartung geäußert und hat dafür auch die Portfolioverantwortung. Der Markt liefert ihm das objektive Feedback - mal gewinnt man, mal verliert man. Viele andere, die Markterwartungen äußern, setzen ihre Meinung nicht am Markt um und entziehen sich damit dem einzig objektiven Maßstab.

Ein Pinocchio fehlt aber in dieser Rubrik, bevor diese eingestellt wird: der Handelsblatt Chefredakteur Gabor Steingart selbst. Erinnert sei hier nur an seine "genialen" Statements zur Solidaraktion "Griechenland". Wie viel Geld wurde von den Anlegern verloren, die dem weisen Ratschluss des Handelsblatt-Chefs gefolgt sind? Wie viele Aussagen erwiesen sich schon als falsch oder haltlos? Die Nase wächst von Woche zu Woche - und das letzte Hemd wird bald gegeben.

Saturday, September 10, 2011

So denkt die Politik

Bekanntermaßen halte ich nicht viel von der derzeitigen Problemlösungskompetenz unserer Politiker. Und der Gedanken an die letztlich wohl zu verlockende Lösung "Euro-Bonds" lässt mich erschaudern.

Deshalb beteilige ich mich derzeit an so mancher Webinitiative, um unseren Politikern mitzuteilen, dass ich das nicht gut finde. Auf eine dieser Online-Mail-Petitionen erhielt ich heute eine Antwort von der Partei der Grünen, übrigens die einzigen, die sich bisher auf diverse Mails von mir meldeten. Diese Mailantwort, zumal es sich um eine Standardantwort handelt, möchte ich hier wiedergeben. Ich tue dies, um allen Lesern nochmals die Dringlichkeit von außerparlamentarischer Opposition in dieser Frage nahe zu bringen. Denn offensichtlich kann oder will die Politik das Problem nicht verstehen - und deshalb wird es Beschlüsse geben, die für uns alle - besonders aber für unsere Kinder und Enkel - folgenreich und schwerwiegend werden dürften.

Ich habe mir erlaubt im Brief, farblich gekennzeichnet, meine Sicht der Dinge anzumerken.


Sehr geehrter Herr Hübner,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Sie haben Recht - die Ereignisse in der Eurozone und die Entwicklung der Verschuldungs-, Finanz- und Wirtschaftskrise sind besorgniserregend. Der wahrscheinlich größte Fehler der Bundesregierung ist, dass sie den Menschen nicht genug erklärt, was auf dem Spiel steht. So entstehen auch Gerüchte, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Man könnte auch sagen: die Politik verfehlt derzeit ihr Ziel, die Menschen weiter an der Nase herumzuführen. Immer mehr Menschen spüren, dass etwas nicht mehr stimmt in Politik und Gesellschaft. (Anm. MH)

Punkt 1: Der ESM bedeutet keine Übertragung von nationalen Haushaltsrechten an Brüssel

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) stellt Kredite für Staaten zur Verfügung, die zeitweise Schwierigkeiten haben, am Kapitalmarkt Geld zu bekommen. Sollte es absehbar sein, dass der Staat seine Kredite nicht zurückzahlen kann, darf der ESM kein Geld mehr geben und der Staat muss Insolvenz anmelden. Dieses Insolvenzrecht wird gerade auf europäischer Ebene erarbeitet ist die Garantie dafür, dass der ESM  kein Fass ohne Boden wird. Ein Fass ohne Boden ist er auch deswegen nicht, weil die Summe der deutschen Gewährleistungen klar begrenzt ist. Über diese Summe entscheidet der Deutsche Bundestag und sie kann nicht überschritten werden.
"Sollte es absehbar sein ..." - solche Formulierungen liebe ich. Zum einen unterstellen diese eine verlässliche Prognostizierbarkeit, die meist eben nicht gegeben ist. Oder warum tappen die meisten Ökonomen und Politiker bezüglich künftiger Wirtschaftsentwicklungen meist im dunkeln? Zum anderen kann mit Hinweis auf eine "günstige Prognose" jeder politische Wille begründet und damit die Nachschusspflicht abgeleitet werden. Tür und Tor sind der Willkür geöffnet. (Anm. MH)

Punkt 2: Der ESM enthält verbindliche Regeln zur Beteiligung von Banken
Im ESM-Vertrag ist festgelegt, dass ein überschuldeter Staat erst dann Kredithilfen aus dem ESM bekommt, wenn die privaten Gläubiger  (zum Beispiel Banken) beteiligt werden. Das ist richtig, denn wer Wertpapiere eines Landes kauft und Zinsen kassiert, muss auch das Risiko eines Ausfalls tragen. In den vorgesehenen Klauseln zu einer möglichen Umschuldung (Collective Action Clauses), die nun bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden sollen, wird ein Verfahren zur Beteiligung des Privatsektors festgeschrieben. Solch eine verbindliche Insolvenzordnung ist ein zentraler Schlüssel zur Stabilisierung der Eurozone. Zudem muss der ESM gegenüber anderen Gläubigern - so wie im ESM-Vertrag bereits vorgesehen - im Falle eines Bankrotts des betroffenen Staates bevorzugt werden. Damit haben Steuergelder immer Vorfahrt vor privaten Geldern. 

Wäre es nicht besser, die Insolvenzordnung wäre schon bekannt und Bestandteil des Gesetzes? Wer verhindert Aufweichungen? (Anm. MH)

Punkt 3: Die umfassende Beteiligung des Deutschen Bundestages an den Entscheidungen des ESM ist möglich
Die Regierung zankt seit Monaten mit ihren Fraktionen, wir Grüne sagen wie es geht: Die bereits bestehenden Gesetze über die Mitwirkung und Beteiligung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der EU (EUZBBG und IntVG) müssen als Vorbild für die künftige Parlamentsbeteiligung beim ESM herangezogen werden:  Art und Höhe der deutschen Beiträge werden durch Gesetz bestimmt und können nur nach einem Änderungsgesetz verändert werden. Ebenso muss der Bundestag zustimmen, wenn dem ESM weitere Handlungsinstrumente zur Verfügung gestellt werden sollen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung vor jeder Anwendung des Rettungsschirms Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen. Der Bundestag muss sich zu ESM-Aktionen positionieren, ein Schweigen reicht nicht aus!

Wie verhält es sich dann mit den Gouverneursratsentscheidungen im ESM, die für alle Regierungen verbindlich sind? Kann der Bundestag auch die Regierung zwingen, den ESM zu verlassen?

Unterm Strich wird die Grüne Bundestagsfraktion der Errichtung des ESM zustimmen. Wir glauben, dass er hilft, die Eurozone zu stabilisieren und den Weg für mehr europäische Integration bereitet. Das kostet Geld und Mut. Aber die Kosten des Nichthandelns wären größer. Viel zu eng ist inzwischen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten, als dass ein Herausbrechen einzelner Staaten ohne massiven Schaden für alle Beteiligten möglich wäre. Und politisch brauchen wir eine starke und handlungsfähige EU, um den globalen Herausforderungen begegnen zu können. Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht – wir brauchen Europa. Deshalb kann die Antwort auf die Krise nur heißen: mehr Integration.

Nichthandeln ist in der Tat keine Option. Wie hoch die Kosten aber für die Euro-Rettung ausfallen, weiß ebenfalls niemand. Die CDU-Fraktion hat in ihrem Gesetzentwurf für den EFSF beispielsweise ausgeführt, dass die mittelfristigen Kosten nicht bezifferbar sind. Man könnte auch sagen: es kann ein Fass ohne Boden werden. Überhaupt ist feststellbar, dass fast ausschließlich politisch und nicht ökonomisch argumentiert wird. Politisches Handeln, welches zu ökonomisch nicht tragfähigen Konsequenzen führt, wird aber letztlich genau daran scheitern. "It's the economy, stupid"

Mehr Integration heißt für die Grüne Bundestagsfraktion: Der ESM kann nur ein Element der finanzpolitischen Zusammenarbeit in Europa sein. Wir brauchen einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln zur Vermeidung von übermäßiger Verschuldung, eine Wirtschaftsregierung, die Fehlentwicklungen in einzelnen Staaten frühzeitig erkennt und eine Kultur finanzpolitischer Verantwortung. Dafür muss sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen – ohne Wenn und Aber.
Mit freundlichen Grüßen

Bündnis 90/Die Grünen
Bundestagsfraktion
Info-Service

Ich finde ja schon einmal gut, dass die Fraktion der Grünen überhaupt geantwortet hat. Andere Parteien und Politiker, die die gleiche Mail von mir erhalten haben, haben sich bislang überhaupt nicht gerührt. Jeder Leser kann sich ja eine eigene Meinung hierzu bilden.


Monday, September 5, 2011

Gefangenendilemma

Selten kann man Erkenntnisse der Wissenschaft in Reinkultur in der Praxis beobachten. Eine solche seltene Gelegenheit bietet sich uns mit dem derzeit laufenden "freiwiliigen" Umtauschangebot für griechische Anleihen.

Die Spieltheorie verfolgt die Absicht, Entscheidungssituationen mathematisch exakt zu beschreiben, die von Unsicherheit geprägt und von den Handlungen anderer am Spiel beteiligter Personen abhängig sind. Dabei wird jedoch unterstellt, dass jede beteiligte Person sich subjektiv rational, also als "homo oeconomicus" betätigt. Für die Spieltheorie wurden bereits viele Nobelpreise vergeben, unter anderem an John Nash.

Ein sehr bekanntes Problem der Spieltheorie ist das "Gefangenendilemma". Vereinfacht gesagt hat es folgenden Versuchsaufbau:
  • Zwei Gefangene sitzen im Knast (in Einzelhaft) und sind beide von hohen Strafen bedroht
  • Sie erhalten nun die Wahlmöglichkeiten:
    - wenn keiner gesteht, erhalten beide 2 Jahre Haft wegen kleinerer Delikte
    - wenn beide die Tat zugeben, erhalten beide 4 Jahre Haft für die Tat mit Belohnung des Geständnisses
    - wenn einer den anderen verrät und der andere es nicht tut, erhält der Verräter nur 1 Jahr Haft, der andere 6 Jahre Haft (Höchststrafe)
  • Wie würden Sie sich entscheiden, wenn Sie einer der Gefangenen wären?
Unabhängig von der tatsächlichen Schuld oder Unschuld wäre es für die Gefangenen besser, zu schweigen, da beide nur 2 Jahre Haft erhielten (kollektives Optimum), während subjektiv ein Verrat unter Umständen die besser Lösung wäre.

Hier kommt der "homo oeconomicus" an seine Grenzen und es steht die Abwägung zwischen Egoismus und Koopeation / Altruismus an.

Fasst man das Spiel in etwas andere Worte, steht genau dieses Problem nun für alle Anleger in griechischen Bonds an. Schauen Sie mal:
  • Die Banken sitzen im Knast (griechische Bonds, Einzelhaft) und sind von einer schweren Strafe bedroht (Totalausfall / Hair Cut)
  • Sie erhalten nun ein Angebot von Griechenland
    - wenn keiner mitmacht, droht der Totalausfall (= kollektives Geständnis)
    - wenn alle mitmachen, gibt es einen Haircut von 21% (= kollektives Schweigen)
    - wenn eine Bank egoistisch ist und nicht mitmacht, aber genügend andere (mind. 90%) mitmachen, kann die egoistische Bank auf vollständige Rückzahlung hoffen, während die kooperierenden Banken ihren 21% Hair cut erhalten und relativ schlechter wie die egoistische Bank performen.
  • Wie würden Sie entscheiden?
Eine interessante Frage, denn wenn genügend große Anleger kooperieren, kann es für einzelne, egoistische Anleger sehr vorteilhaft sein, nicht mitzumachen. Andererseits droht das ganze Paket zu scheitern, wenn zu viele sich nicht kooperativ verhalten.

Wissentlich oder nicht haben die Politiker im Falle Griechenlands ein perfektes Gefangenendilemma aufgebaut und wir werden schon in Kürze erfahren, wie viel Egoismus und Kooperation bei Großanlegern vorhanden ist.

Sunday, August 28, 2011

Ihr Greenback, Herr Greenspan

Vor einigen Tagen fühlte sich Herr Greenspan berufen, das Auseinanderfallen des Euros zu prognostizieren. Die Medien schenken genau der Person Gehör, die sehr starken Anteil an den Finanzmarkt-Problemen trägt. Als Greenspan im Amt war, klebten die Märkte an seinen Lippen wie ein Yunkie seinem Dealer. Jetzt gibt genau der Mann Empfehlungen an die Märkte, welche er zuvor über Jahre hinweg mit viel zu niedrigen Zinsen, mit geduldeten Kreditverpackungen übelster Qualität und als Beisteher exzessiver Schuldenexzesse zu dem gemacht hat, was sie nun sind. In diesen Tagen sollten sich vor allem diejenigen, welche dem "Maestro" erneut Gehör schenken, vielmehr daran erinnern, woher die Kredit- und Finanzkrise einmal herrührte, woher die Firmen stammen, welche ihr AAA auf fragwürdige Kreditpakete drückten und warum die Banken und Märkte in 2007/2008 und auch heute in Schieflage geraten sind und damit die Staaten in Bedrängnis gebracht haben. Sicher ist der Euro kein Idealkonstrukt, aber es gibt global gesehen schlechteres Papiergeld. Dies sollte der US-Notenbänker a.D. zur Kenntnis nehmen!
Denn unseres Erachtens steht beim US-Dollar eine neue Abwertungsrunde an. Die sentix-Neutrality Indizes zu EUR/USD befinden sich auf einem äußerst hohen Niveau und kündigen einen neuen Trendimpuls an. Der Optionsmarkt weiß eine Antwort darauf zu geben, wohin die Reise geht: Die Risk-Reversals zeigen eine eindeutige Richtung pro Euro an (siehe Grafik).
Was glauben Sie, Herr Greenspan, wenn der US-Dollar in Folge des QE 3.0 das Ventil für den internationalen Anleger darstellt, um seinen Unmut zur US-Politik Luft zu verschaffen? Wir gehen davon aus, dass der Markt sich bereits entschieden hat, denn der Preis als einzig objektive Größe hat charttechnisch gesehen bereits ein Zeichen gesetzt. Der US-Dollarindex DXY (siehe Grafik 2) spiegelt dies als Basket zu den  Hauptwährungen wider, der technisch eine Konsolidierung nach der anderen abarbeitet und zum nächsten Tauchgang ansetzt. Vielleicht sollte sich der Greenspansche` Scharfsinn mehr mit den eigenen grünen Banknoten auseinandersetzen, als sich mit anderen Fragestellungen beschäftigen, welche von den eigenen Problemen ablenken sollen. Dies würde aus Europäischen Sicht dem einstigen Krisenverursacher besser zu Gesicht stehen.

Tuesday, August 16, 2011

Ein klares NEIN zu Euro-Bonds!

Schlägt man heute den Blätterwald auf oder verfolgt die Berichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen sind plötzlich Euro-Bonds salonfähig geworden. Da weder Politiker noch die Eliten des Landes in der Lage sind, konzeptionelle Antworten auf die Verschuldungskrise zu finden, darf es fast schon nicht mehr verwundern, wenn man den vermeintlich "leichten" Weg geht und nun den Euro-Bonds Tür und Tor öffnet. Wie willfährig die Medien sich dabei zu unkritischen Befürwortern machen lassen, ist skandalös. Beim Staatsfernsehen darf es einen dagegen weniger wundern.

Dieser Weg ist jedoch falsch und es wird Zeit, massiven Widerstand gegen diese Entwicklungen zu organisieren!

Wir waren vor Wochen schon weiter, als Konsens herrschte, die Schulden seien zu hoch und müssten abgebaut werden. Diesen Vorgang jetzt abzubrechen und damit die Schulden auf alle zu verlagern, wird nur zwei Effekte haben:
  • Die Bonität Deutschlands wird geschwächt und deutliche Zinssteigerungen für Bundesanleihen wären die Folge. Die notwendige Schuldendisziplin wird so nicht hergestellt und nach einiger Zeit (genauer: in der nächsten Rezession - die schon unterwegs ist!) wird die Tragfähigkeit des Gesamtkonstruktes in Frage gestellt. Wir alle zahlen demnach höhere Zinsen für nichts.
  • Da dann alle Euro-Staaten in einem Boot sitzen, dürfte die EZB letztlich á la FED zu offenem QE übergehen und damit die Notepresse nachhaltig in Gang setzen - mit absehbaren Folgen für Wohlstand und Ersparnisse der Bürger.
Unglaublich, rechtswidrig, unverhältnismäßig und nicht akzeptierbar - mit kurzen einfachen Worten:

NEIN zu Euro-Bonds!

Friday, August 12, 2011

Leerverkaufsverbot - schon wieder nur Symbolpolitik

Gestern mittag ging es bereits als - in Zukunft strafbares? - Gerücht im Markt herum: die Politik will die böse Spekulation eindämmen und Leerverkäufe verbieten! Das macht den bösen Spekulanten aber Angst ... zumal sowieso gefragt werden kann, ob die Spekulanten das Problem sind oder die "normalen" Portfolioinvestoren, die jetzt die Panik ereilte.

Wir schreiben das Jahr 2008. Die Börsenwelt ist in Aufruhr und Bankaktien fallen ins Bodenlose. Schnell sind Leerverkäufer als Schuldige ausgemacht und diese Geschäfte werden verboten. Seit dem ist dies mehrere Male passiert und teilweise, zum Beispiel in Deutschland, besteht es bis heute fort!

Nur gebracht hat es nie etwas. Die Aktien fielen trotzdem so lange es an ihnen war zu fallen, bestenfalls etwas langsamer. Zumal diese Verbote, wie auch jetzt, in der Regel nur zeitlich befristet sind. Die Spekulation findet immer ihren Weg, so lange wie wir insgesamt noch freie Märkte haben.

Wenn man die Leerverkäufe als eine Quelle des Übels ausgemacht hat, wäre es m.E. wesentlich konsequenter nicht das Geschäft, sondern die Quelle für die leerzuverkaufenden Aktien auszutrocknen: die Wertpapierleihe! Denn viele Fondsgesellschaften und institutionelle Anleger verleihen ihre als Dauerbestand gehaltenen Aktien gegen sehr kleines Geld und wundern sich dann, dass diese für solche Operationen benutzt werden. Überhaupt würde mich interessieren, ob es Anleger von Investmentfonds wissen, dass die Fondsgesellschaften ihres Vertrauens ihre Aktien für so etwas hergeben und meist die Hälfte der Leiheerträge für sich als Gebührenquelle nutzen - und der potentielle Schaden zu 100% beim Anleger verbleibt.

Dies trifft im Übrigen auch auf die beliebten ETFs zu, die dieses Instrument ausgiebig und nur wenig zum Kundenvorteil nutzen. Denn die Leiheerträge dienen nur dazu, höhere Gebühren in ETF durchsetzen zu können.

Erneut zielt die Symbolpolitik in die falsche Richtung. Wie soll man da Vertrauen entwickeln.

Thursday, August 11, 2011

Manisch depressiv

Die Lust am Untergang beherrscht die Börsen-Szene. Diejenigen, die es haben kommen sehen - und davon gab und gibt es einige - beschwören das heilige Gold und sehen ihre Stunde gekommen.

Dagegen sind so einige Mitglieder der Finanzindustrie nur mit dem Zusammenkehren der Scherben beschäftigt, die der Finanz-Tsunami hinterlassen hat. Sie werden zwar auch nach dieser Erfahrung nicht die Einsicht haben, dass ihr eigenes Tun Bestandteil des Problems ist, doch in diesen Stunden geht es für viele - für uns alle! - nur noch um Schadensbegrenzung und vielleicht bei ein paar Wenigen sogar schon ums finanzielle Überleben.

Und was macht mein Nachbar? Er hat Urlaub, baut sich eine neue Terrasse und genießt sein Glück als frisch gebackener Vater.

An solchen Tagen kommt mir immer ein Spruch in den Sinn, den wir uns in der Schule oft gegenseitig erzählten und der aus der Umweltbewegung entstammte:

"Erst wenn ihre alle Bäume gefällt, alle Fische gegessen und alles Land vergiftet habt, werdet ihr Erkennen, dass man Geld nicht essen kann."

Was rät man dem manisch depressiven Finanzmarkt? Schaut euch um, löst euch von den Schirmen, genießt die Sonne, die sich heute endlich mal wieder zeigt. Bekommt den Kopf frei und versucht Abstand von den Märkten zu bekommen. Wenn das nicht hilft, muss die Politik "den Stecker ziehen".

Wednesday, August 10, 2011

Das wird auch dem Bären nun unheimlich

Bevor ich meine heutigen Gedanken wieder vor Ihnen ausbreite, möchte ich Sie ein wenig mit Statistik verwöhnen. Der DAX verlor heute den elften Tag in Folge. Dies ist wahrlich ein seltenes Ereignis. Genau genommen konnten wir in der DAX-Historie seit 1959 genau vier Serien finden, die länger oder gleich lang waren.

Zum einen 1966. Damals verlor der DAX 11 Tage in Folge mit dem Tiefpunkt am 22.06.66. Diese Serie markierte den Endpunkt einer mehrmonatigen Baisse, welche den DAX rund 25% kostete. In der Serie selbst verlor der DAX 7,5%.

Die zweite Serie 1970 schaffte 13 Verlusttage (!) in Folge und endete am 27.05.70 (Vietnam-Proteste, die Beatles trennten sich). Diese Phase hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Chartbild des EuroSTOXX, also einer gewissen Schwäche schon vor dem Abriss. In der Serie verlor der DAX rund 16,5%.

Die dritte und längste Serie mit 14 Verlusttagen war 1971 zu beobachten und endete am 22.09.71. Diese Serie war die mittlere Welle einer rund 10-monatigen Baisse. In der Serie verlor der DAX ca. 8,5%. Wäre nicht ein kleiner Plus-Tag dazwischen gewesen, wäre die Serie 7 Tage (!) länger gewesen bei einem - fast schon bescheiden anmutenden - Gesamtverlust von ca. 11%. Das waren damals noch "langsame" Zeiten.

Die vierte Serie fand im "3 Päpste-Jahr" 1978 statt und endete nach 11 Verlusttagen am 25.04.1978. Obwohl es so lange abwärts ging, verlor der DAX nur rund 5% am Ende eines längeren, volatilen Seitwärtstrends.

Dieser kleine Exkurs zeigt, wie außergewöhnlich die aktuelle Serie von 11 Verlusttagen bei einem Gesamt-Minus von 24% ist. Der heutige Tag reiht sich - gemessen an der Kursveränderung über 11 Tage - in eine Kette unrühmlicher Börsentage ein:
  • 26.10.1987 (87er Crash)
  • 24.09.2001 (Wiedereröffnung der Börse nach dem 11. September 2001)
  • 22.07.2002 (Enron-Skandal und Höhepunkt der Tech-Blase)
  • 09.10.2008 (Post-Lehman-Crash)
Eines haben diese unrühmlichen Tage, wie auch die vorher genannten "Serien", alle gemeinsam: es folgte eine mehr oder wenige starke Erholung, die Welt drehte sich weiter, aber es war in keinem Fall der Endpunkt der unruhigen Börsenzeit. Doch nun zu meinen Tagesgedanken.

Ein besonderes schwarzer Börsentag

Wenn kollektiver Kontrollverlust = Panik bedeutet, wie es Joachim Goldberg in seinem Blog beschrieb, dann hatten wir heute sicher einen Panik-Tag. Gerüchte kochen über und eine drohende Herabstufung Frankreichs von AAA auf irgendetwas darunter lassen die Anleger gleich vermuten, eine oder mehrere Großbanken gingen Pleite.

Zugegeben, wir waren die letzten Wochen bearish und skizzierten immer wieder die negative Spirale aus Vertrauensverlust, prozyklischen Absicherungsgeschäften, halbherzigen Politikeingriffen und weiterem Vertrauensverlust.

Was wir aber heute erleben durften, geht sogar uns als Bären etwas zu weit. Sitzen denn vor den Handelsschirmen nur noch emotionale Prozykliker, die das Denken verlernt haben? Wo sind nun all die Optimisten, die wochenlang zugeschaut haben, wie sich die Probleme aufbauten und die Wirtschaftsindikatoren verschlechterten. Und dennoch haben diese "Profis" immer wieder betont, wie toll die Aktien sind, wie werthaltig, wie fundamental billig - und das man sie auch bei DAX-Ständen > 7.000 Punkten unbedingt kaufen muss.

Jetzt, da eventuell auch Frankreich ein Downgrade erfährt, wird alles in Sack und Asche geprügelt, als ginge morgen die Welt unter. Meine Herren, ich habe heute noch getankt, gegessen und sogar ein relativ teures Konsumgut angeschafft. Die Welt wird morgen noch existieren. Bei der Finanzindustrie, so scheint es, kann man sich da nicht mehr so sicher sein.

Ich will die Euro-Schuldenkrise wahrlich nicht kleinreden, im Gegenteil. Wir waren mit daran beteiligt, für Aufklärung auf diesem Gebiet zu sorgen. Und wir stehen vor schwierigen Entscheidungen und ja, unser Wirtschaftssystem zeigt sich mehr als fragil. Ich weiß nicht, wie lange wir uns noch leisten wollen, alle 2-3 Jahre mit dem völligen Zusammenbruch des Finanzwesens konfrontiert zu werden.

Aber es darf doch nicht vergessen werden, dass nicht alle Schulden wertlos sind. Schließlich verfügen die Staaten über enorme Vermögenswerte und eine Besteuerungsfähigkeit, die es erlaubt, einen erheblichen Schuldenberg zu tragen. Natürlich müssen die Politiker den ernst der Lage erkennen und endlich Antworten auf die drängenden Fragen geben. Aber diese sind noch immer möglich.

Es wird dringend Zeit, einen Wellenbrecher für die Märkte zu installieren. Unsere mehrfach hier bereits vorgeschlagene "Investor-Put"-Variante wäre noch immer vielversprechend. Dies ist auch insoweit dringend geboten, als es selbst für einen Contrarian nahe an "finanziellen" Selbstmord heranreicht, in diesen Markt zu investieren. Und wenn selbst die Hartgesottenen sich nicht mehr trauen, haben wir ein sehr ernstes Problem!

Zudem droht schon das nächste Problem, da sich die Frage der Werthaltigkeit letztlich auch bei den derzeitigen Haupt-Fluchtpunkten der Anleger, Bundesanleihen und US Treasuries, stellt, sollte tatsächlich das Ende des Bank- und Finanzwesens nahen.

Wir alle sollten hoffen, dass die Politik endlich zu vernünftigen, auch die Psychologie berücksichtigende Lösungen, findet. Und dass die Risikobudgets der institutionellen Anleger nicht schneller schmelzen, als unser Verstand.

Monday, August 8, 2011

Die zwei entscheidenden Fragen des Marktes

Die heutige Datenveröffentlichung der sentix Konjunkturindizes hatten es in sich. Mit einem Rückgang von fast 19 Punkten brach der Gesamtindex für Euroland so stark ein, wie nie zuvor. Hinter den Kursrückgängen an den Aktienmärkten steckt also nicht irrationale Panik, wie so mancher Analyst vermutet, sondern handfeste Sorgen um einen globalen, synchronen Konjunkturabschwung.

Man kann es präzisieren: die Märkte verlangen eine Antwort auf zwei einfache Fragen.

Frage 1: in welchem Maße sind Staatsanleihen noch werthaltig?

Es ist klar, dass nicht alle Staatsanleihen wertlos sind. Entsprechende Übertreibungen sind völlig fehl am Platze. Aber ein Investor, beispielsweise eine Pensionskasse, hat derzeit das Problem, nicht zu wissen, in welchem Maße welche Anleihen welches Landes wirklich nachhaltig gesichert sind. Dies führt dazu, dass letztlich der Preis als einzige Orientierung verbleibt und undifferenziert - rein aus Risikoüberlegungen - Werte veräußert werden. Womöglich notieren inzwischen einzelne Papiere bereits unter ihrem inneren Wert - oder noch immer darüber! Who knows ...

Unser Vorschlag der Gewährung von Put-Optionen für Investoren würde diese Unsicherheit beseitigen. So hilfreich auf den ersten Blick Anleihekäufe durch die EZB sein mögen, bewirken sie nicht die Rückkehr von Vertrauen. Denn man vermutet hinter der EZB-Aktion politisches Kalkül statt ökonomischer Ratio. Ein Investor-Put, der im Falle der Ausübung wie ein Schuldenrückkauf zu einer Schuldenreduktion führen würde, würde den Investoren Planungssicherheit geben und den Druck zu schnellen Handlungen nehmen. Der Politik würde es Zeit verschaffen, Antworten auf Frage 2 zu finden.

Frage 2: Wenn wir wissen, dass Staaten nicht mehr Schulden machen sollen / dürfen, wie sieht dann die Wirtschaftspolitik der Zukunft aus, wenn einem der wichtigsten Akteure im Markt die Hände gebunden sind?

Diese Frage wird bislang kaum vom Mainstream gestellt, ist aber wahrscheinlich der Grund, warum die Märkte so heftig auf die sich abzeichnende konjunkturelle Verschlechterung reagieren. Das eigentliche Problem am Downgrade der USA ist nicht der Verlust des AAA. Zumal bei einer Notenbank, die im Zweifel sowie alle Anleihen aufkauft, eher die Währung als die Anleihe das Problem ist. Der Downgrade zeigt, dass auch Amerika nun in der Aufnahme neuer Schulden eingeschränkt ist. Da die US-Wirtschaft aber wie keine andere nur durch neue Schulden Wachstum generieren kann, wird die ökonomische Sollbruchstelle schnell offenkundig.

Aber auch in Europa müssen alle Regierungen umdenken. Kein Land, weder Italien noch Frankreich noch Deutschland, kann es sich künftig erlauben, Defizite wie in der Vergangenheit zu fahren. Damit wird regieren deutlich anspruchsvoller, man könnte auch sagen: jetzt gewinnt die Qualität wieder die Oberhand über die Quantität.

So gesehen bestehen auch in dieser Krise wieder Chancen. Die Politik wird sich dieser Wahrheit, die für die heutige Generation Politiker, die nichts anderes kennen, als andere Leute Geld mehr oder weniger sinnvoll / sinnlos auszugeben, sehr schmerzhaft ist, stellen müssen. Am Ende dieser Entwicklung werden wir gelernt haben, was im Leben wirklich wichtig ist.

Sunday, August 7, 2011

Die Systemfrage

In unserem Jahresausblick für 2011 bezeichneten wir die vor uns liegende Zeit als die "schönste Galgenfrist aller Zeiten". Dieses Wortspiel sollte zum einen betonen, dass die Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken, mehr Geld und Schulden zu produzieren um die Solvenzkrise in den Griff zu kriegen, zu steigenden Assetpreisen und damit zu einem gewissen Wohlbefinden an den Märkten führen könnte. Die gute Börsenphase der ersten sechs Monate ist darauf zurückzuführen.

Zum anderen ist eine Galgenfrist endlich und endet mit der Hinrichtung - die Solvenzkrise steuert demnach auf eine schreckliches Ende zu. Nach einer der schlimmsten Börsenwochen der letzten Jahren und anberaumten Notsitzungen für den heutigen Tag, stellt sich die Frage, ob sich die Galgenfrist nun dem Ende neigt und damit das Ziel des gesamten Finanzkrisen-Prozesses seit 2007 erreicht wird.

Versetzen wir uns in die Lage von Merkel, Baroso, Obama und Co. Mit viel Aufwand, viel Beratungsleistung durch "die Wölfe" (z.B. Deutsche Bank, Lockruf für Wölfe), viel Geld, vielen ungesetzlichen Eingriffen und notstandlichen Alternativlosigkeiten, haben sie nichts erreicht, außer das Leiden zu verlängern, die Kosten zu erhöhen und die Handlungsfähigkeit eingebüßt zu haben. Noch nicht einmal ihren "wohlverdienten" Sommerurlaub dürfen sie unbeschwert genießen. Wie fühlt man sich da? Vermutlich zornig, hilflos, depressiv, verzweifelt.

Dies sind die typischen Gefühle, die Menschen haben, wenn sie etwas Wichtiges verloren haben - und dies nicht zu akzeptieren bereit sind. Jetzt gibt es zwei Handlungsoptionen:
  1. Die Politik drückt sich weiter vor der Akzeptanz des Unausweichlichen herum. In diesem Fall setzt sich der Wahnsinn fort. Wahnsinn deshalb, weil erneut mehr von dem gemacht würde, was sich bereits als untauglich erwiesen hat. Dies geht faktisch nur über ein "all in", wie man im Poker sagen würde. Man schockt seine Mitspieler damit, alles auf eine Karte zu setzen. Die gemeinschaftliche Schuldenfinanzierung in Europa würde kommen mit Deutschland als Oberzahlmeister. Oder die EZB betreibt ein QE Europa (was in Bezug auf Haftung Deutschlands das gleiche bedeutet). Beide Varianten wären jedoch ein "bleuf". Vielleicht würde der eine oder andere Wolf am Tisch aufgeben, aber letztlich sicher nicht alle. Die Logik des Scheiterns der gewählten Politik liegt dafür schon zu sichtbar auf dem Tisch. Wird der Bleuf aufgedeckt, wird es sehr unangenehm.
  2. Die Politik akzeptiert, dass sie verzockt hat, wirft ihr Blatt weg und kapituliert.
Analysieren wir, was Variante 2 bedeuten würde.

Ein Mensch, der kapituliert, gibt sich und das, woran er festgehalten hat, auf. Er begibt sich in sein Schicksal und erträgt, was ihm dieses auferlegt. So wichtig wie die Akzeptanz des Verlustes auch ist, um den Kopf frei zu bekommen. So wichtig ist auch, diese Freiheit im Kopf dazu zu benutzen, die wahren Handlungsalternativen zu beleuchten. Denn diese haben es in sich!

Ich befürchte, dass Regierungen und Notenbanker, die einmal die Unmöglichkeit ihres Tuns erkannt haben, dazu neigen könnten, "tabula rasa" zu machen. Man könnte den Märkten die Schuld in die Schuhe schieben und massiv in diese eingreifen, in dem man die Börsen schließt, Banken verstaatlicht, bestimmte Händel oder Besitze verbietet. In diesem Falle würden wir die Kapitulation mit einem hohen Maße an Freiheitsverlusten bezahlen.

Eine andere Variante kann sein, den Euro als Schuldigen zu identifizieren und diesen faktisch zu zerschlagen. Entweder in dem man Griechenland und Co. rauswirft (das wäre eine Katastrophe) oder Deutschland (evtl. zusammen mit den Niederlanden und Österreich) austreten würde. Dies wäre zwar einfacher zu managen, als wenn Griechenland austreten würde, aber ebenfalls nicht wünschenswert.

Der sentix Vorschlag

Es gibt jedoch auch eine Variante, welche das Problem an der Wurzel packen würde, ohne in die Märkte einzugreifen - der "Investor-Put", also die Gewährung von kostenlosen Put-Optionen an alle Inhaber von Euro-Staatsanleihen, welche bei Ausübung quasi zu einem Schuldenrückkauf und damit zu einer Schuldenvernichtung führen würde (zu 100% auf Kosten derer, die diese Anleihen halten!).

Was macht diese Put-Lösung so viel besser, als alles andere, was bisher vorgeschlagen wurde?

Stellen Sie sich vor, sie haben ein Aktienportfolio und die Kurse fallen und fallen. Möglicherweise sogar unter ihren wahren Wert. In diesem Falle geraten sie entweder früher oder später in Panik und entledigen sich ihrer Risiken. Oder Sie erwerben eine Versicherung, die Ihnen das Risiko begrenzt. Sobald Sie die Versicherung abgeschlossen haben, weicht der psychologische Schmerz. Deshalb achten Analysten auf die Put-Umsätze in einem Bärenmarkt. Sobald alle unter Druck stehenden Anleger einen Put besitzen, ist der Bärenmarkt vorbei! Gleiches wäre der Fall, wenn jeder Anleihegläubiger eine solche Versicherung hätte!

Viele Pensionskassen, Versicherungem, Banken und Sparkassen halten Bestände in mehr oder weniger fragwürdigen Staatsanleihen. Die fallenden Kurse haben jedes Sicherheitsgefühl in diesen Papieren zerstört und es besteht die große Gefahr, dass nun ausschließlich aus Unsicherheit und Angst verkauft werden muss. Wären diese Bestände versichert - was automatisch bedeuten würde, dass die noch möglichen Verluste kalkulierbar wären - erhielten diese Investoren die notwendige Zeit, die Werthaltigkeit der Staatsanleihen nachhaltig zu bestimmen und dann zu entscheiden, die Versicherung in Anspruch zu nehmen (mit der Folge, dass effektiv auch Schulden vernichtet würden) oder die Bestände zu halten (mit der Folge, dass die Verkaufswelle wirklich gebrochen wäre).

Man kann die "bösen Derivate" auch in den Dienst der guten Sache stellen!

Die Schuldner, praktisch alle Staaten, bekämen dann die Zeit, aus dieser Krise die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Nämlich:
  • Abkehr von der Verschuldungswirtschaft
  • Ende der Verschwendungssucht des Staates
  • Abbau von Bürokratie und Stärkung der Selbstentscheidungsrechte des Bürgers
  • Beteiligung der Reichen am Lastenausgleich
  • Formulierung eines neuen Wertekonsens für die Gesellschaften.
Denn wenn dieser Läuterungsprozess nicht einsetzt, dann wird auch der smarteste Vorschlag letztlich fehlgreifen. Dann bleibt nur das "harte Ende", das ich mir nicht ausmalen möchte.

Das nervt - über Panik und mangelnde Lernfähigkeit

Nein, in den nachfolgenden Zeilen geht es ausnahmsweise mal nicht um die Euro-Krise und die Unfähigkeit der Top-Entscheider. Naja, ein wenig schon. Aber eigentlich geht es um die Berichterstatter der Finanzmärkte.

Schlägt man den Blätterwald auf oder frönt dem Börsen-Fernsehen, dann fällt derzeit sehr oft das Wort "Panik". Analysten, vermeintliche Sentiment-Experten und sonstige Marktgrößen bekommen derzeit alle die gleiche Frage gestellt: "haben wir Panik?" und "was kommt danach?".

Meist wird die Frage nach der Panik gar nicht als Frage formuliert, sondern als Tatsache quasi festgestellt. "Herr Analyst, wir haben Panik, wie geht es nun weiter?"

Aber haben wir wirklich Panik? Wie stellt man diese fest? Seit letzten Mittwoch lese ich täglich, das wir Panik an den Märkten hätten. Das bezweifelten wir und haben die Folgen im letzten Blogbeitrag bereits "werthaltig" für Sie ausgeführt.

Eine Panik ist eher ein singuläres Ereignis, der "wash-out", die Kapitulation. Nicht ein Ereignis welches sich tagelang hinzieht. Die meisten Journalisten glauben, dass jeder Kursverfall, den sie nicht erwartet haben und der auch von den Mainstream-Analysten nicht vorhergesagt wurde, eine Panik, eine irrationale Übertreibung, sein muss. Welch ein Irrtum!

Schlimm auch, dass diese psychologischen Begrifflichkeiten so undifferenziert verwendet werden und meist dahinter weder eine wirkliche Analyse des psychologischen Zustandes steht, noch eine Theorie, was mit den Ergebnissen anzufangen sei. Wir haben uns bei sentix genau darauf spezialisiert und erheben seit mehr als 10 Jahren Woche für Woche ein sehr differenziertes Stimmungsbild, leiten daraus nachvollziehbare - und oft genug treffsichere - Analysen ab. Wir analysieren nicht im Elfenbeinturm oder für die Galerie - denn wir setzen an den Märkten auch das um, was wir analysieren!

Und unsere Daten von diesem Freitag signalisieren ganz klar: wir haben noch keine Panik! Wir hatten gemäß unseren Daten auch im November 2008 keine Panik, was damals richtig war, denn das endgültige Markttief wurde erst im März 2009 erreicht - just zu einem Zeitpunkt, wo wir tatsächlich Panik messen konnten!

Aber es passt ins Bild. Die Menschen wollen keine Wahrheiten, sie wollen lieber einfache Geschichten und Lösungsvorschläge hören. Deshalb sind auch Analysten, die vor allem schöne Geschichten erzählen, so beliebt. Und vor allem wollen die Menschen in schweren Kapitalmarktzeiten wie diesen nicht die Hoffnung zerstört bekommen, die erlittenen Verluste seien nur temporär und würden sich schnell egalisieren. Genau das ist nämlich der Grund, warum sich manche Berichterstatter in diesen schweren Tagen ausgerechnet dort Rat holen, wo sie ihn am wenigsten finden.

Es ist schon mehr als fragwürdig, dass die Medien ausgerechnet die Analysten und Experten derzeit bevorzugt zu Wort kommen lassen, die den Absturz am wenigsten vorausgesehen haben. Und wenn diese Analysten dann mit psychologischen Begriffen hantieren, könnte das zwar einerseits ein Zeichen der Erkenntnis sein. Wenn aber die vorgeschlagenen Lösungen lauten, einfach noch mehr von dem zu tun, was sich bereits als untauglich erwiesen hat, ist es nicht Weisheit und Erkenntnis, sondern Unfug.

Derzeit lautet demnach so manches Urteil von Analysten: " ich verstehe zwar nicht warum die Kurse fallen - aber das muss Panik sein - es ist jetzt alles so billig - es wird schon wieder - ohne Gewähr". Ein solcher Ratschlag, wenn er denn auch noch mit der vermeintlich vorliegenden Panik sein "Gütesiegel" erhält, ist gefährlich. Er hält die Anleger - wie auch den Analysten selbst - im Zustand der Hoffnung gefangen. Der Verlustbewältigungsprozess wird verzögert, es kommt nicht zur finalen Stufe, der Akzeptanz.

Denn ein echter Erkenntnisprozess zeichnet sich dadurch aus, dass nicht die Kursbewegung auf ein irrationale Preisänderung reduziert wird, sondern erkannt wird, dass wirklich etwas Nachhaltiges und Rationales (!) passiert ist. Nach dieser Erkenntnis kommt meist erst der richtige Schreck - und dann die Panik -  und dann die Besserung. Wer jetzt auf die Besserung hofft, ohne das Ausmaß des Problems vollständig erfasst zu haben, befindet sich vielleicht in "Schockstarre" und ist verzweifelt - ist damit aber in der Hoffnung und kognitiven Dissonanz noch gefangen - und hat die Panik noch vor sich.

Thursday, August 4, 2011

Das kann doch einen Zocker nicht erschüttern

"Das kann doch einen Zocker nicht erschüttern" titelte das Handelsblatt Online gestern abend und berichtet damit über die Befindlichkeiten der Anleger.

Bekanntermaßen untersuchen wir bei sentix auch den Medientenor, da dieser manchmal sehr viel über die laufenden Wahrnehmungsprozesse der Anleger offenbaren kann. Im Folgenden wollen wir einige Medienstatements der letzten 24 Stunden betrachten und uns fragen, was diese wohl für die weitere Marktentwicklung bedeuten könnten.

Beginnen wir mit der Titelzeile der oben erwähnten Beitrages selbst: dort werden die aktuellen Anleger als "Zocker" bezeichnet, was auf eine erhöhte Risikobereitschaft im Markt schließen lässt. Diese lassen sich "nicht erschüttern", was auf Verdrängung / Leugnen hindeutet. Bekanntermaßen steht die Phase des Leugnens unserer Analyse nach für das Frühstadium einer Abwärtsbewegung und nicht für ein Ende!

Weiter heißt es dann: "Was die meisten überrascht: Warum kommt der Absturz gerade jetzt? Selbst erfahrene Börsianer und selbst ernannte Börsenexperten haben den Absturz nicht vorhergesehen. Nicht wenige haben eine „Erleichterungsrally“ vorhergesagt"

Solche Statements "erfreuen" mich immer wieder. Weil der Autor oder die Befragten es nicht "gesehen" haben, wird gleich daraus - wohl zum Selbstschutz - eine absolute Aussage: kein Experte, selbst die sehr erfahrenen, hat es gesehen. Eine solche Aussage muss natürlich falsch sein, denn niemand kennt alle Experten. Gleichzeitig müssen ja diejenigen, die es gesehen haben, unerfahren sein oder eben keine Experten. Bei solchen Verteidigungsargumenten handelt es sich um einen psychologischen Schutzmechanismus zur Wahrung des Selbstbildes, der aber die unangenehme Eigenschaft hat, eigenes Lernen zu behindern. Denn wenn es kein beachtenswerter Marktteilnehmer gesehen hat, muss sich der Anleger auch nicht selbst in Frage stellen und kann sich die mühsame Suche nach besseren Informationen schenken - welch ein Irrtum!!!

Da hatten es die sentix Teilnehmer mal wieder besser, die sehr wohl vorbereitet waren.

Aber obwohl die "Börsenexperten" keine Antwort haben, wird das negative Preissignal - getreu dem psychologischen Zustand der kognitiven Dissonanz - verdrängt. Ein weiteres Indiz dafür, dass diese Abwärtsbewegung noch weit davon entfernt ist, ihren endgültigen Endpunkt erreicht zu haben.

Dieser Artikel ist nicht der einzig auffallende. Heute berichtet das Handelsblatt (Print) davon, was Bankenexperten diverser Häuser zum Besten geben. Das Urteil: "Auch sie sind erfrischend positiv gestimmt. Fazit 1: Die Börse übertreibt. Fazit 2: Aber wir müssen den Zitterhänden ja nicht folgen. "

Unser sentix Fonds 1 (A1C2XH) steht bekanntlich unter dem Motto "erfrischend anders investieren" (neues Monatsreporting für Juli mit Fondsmanager-Kommentar online).

Was daran jedoch "erfrischend" sein soll, sich markanten Preissignalen mit dem abstrakten Verweis auf eine Übertreibung zu widersetzen, erschließt sich mir nicht. Das Wort der Übertreibung wird zudem meist dann verwendet, wenn der Befragte keine rechte Erklärung für die Entwicklung hat und auf eine "mean reversion" - auf eine Rückkehr zu vorhergehenden Kurslevels - setzt. Doch gerade dann, wenn man die Preisentwicklung nicht erklären kann, sollte man den Preis als einzig objektive Information ernst nehmen. Das Konzept der kognitiven Dissonanz erlaubt aber genau das den meisten Menschen nicht und so feiern Verdrängungsmechanismen "fröhliche Urstände".

Ein drittes Beispiel gefällig? Dann einfach mal auf dem Börsenportal der ARD vorbeischauen und das Bild auf der Startseite zur heutigen Frühbörse genießen.Unter der Überschrift "Her mit der Gegenbewegung" schaukelt ein Investor der Sonne entgegen. Auch hier suggeriert das Bild "überschwengliche Freude", aber bekanntlich soll man der Sonne nicht zu Nahe kommen. Ikarus lässt grüßen.

Von Angst und Panik kann also in keiner Weise gesprochen werden. Die "Kapitulation" als Endphase einer Bewegung dokumentieren die Medien ganz klar noch nicht. Vielmehr stehen nachhaltige Umkehrformationen oder der Bruch wichtiger, strategischer Unterstützungsmarken im Raum. Vergleichen Sie einfach die charttechnische Bedeutung der Umkehr in der Automobilbranche mit den noch immer bullishen Kommentaren von Analysten und Medien zu derselben! Der Preis ist letztlich die einzig objektive Information und solange sich die Investoren weigern, die Botschaft des Marktes im Kontext der charttechnischen Bedeutung zu würdigen, bestehen aus dieser Analyse heraus mehr Risiken als Chancen. Natürlich sind gewisse Gegenbewegungen nicht nur denkbar sondern sogar sehr wahrscheinlich. Aber sie sollten weniger als Startsignal für eine neue Bullenrunde sondern als dringend notwendige Gelegenheit zum Positionsabbau verstanden werden.

Sunday, July 24, 2011

Lockruf für Wölfe

"You can ignore reality - but ultimately you can't ignore the consequences of ignoring reality" - Ayn Rand

Es gab eine Zeit in der europäischen Schuldenkrise, vor ca. einem Jahr, da galten die Wolfsrudel der Kapitalmärkte (die Hedgefonds und andere "spekulative Anleger") als etwas Schreckliches, als etwas, dass es zu verjagen galt.

Das ist seit den Beschlüssen der Regierungschefs von dieser Woche anders - man findet, wahrscheinlich mangels finanzmarkttechnischem Sachverstand sogar unwissentlich, gefallen daran, die Wölfe wieder anzulocken!

Denn was bedeuten die Beschlüsse mit den angekündigten Offerten (a) Umtausch bei ca. 20% Abschlag auf den Nennwert und (b) Rückkaufangebot am Sekundärmarkt wohl für diese Anlegergruppe wenn die Marktkurse je nach Laufzeit bei ca. 50-70% notieren? Eine wunderbare Gelegenheit, auf Kosten des Steuerzahlers Geld zu machen.

In der ersten Phase passiert etwas für die Politiker höchst Willkommenes: die Wölfe kaufen die Bonds zu Stresspreisen am Markt auf und treiben die Preise in die Höhe. Das tun sie unabhängig davon, ob die Beschlüsse wirklich die Probleme lösen, einfach weil es eine praktisch sichere Spekulation ist. Da die Politik sich dazu entschlossen hat, unter keinen Umständen das Problem wirklich zu lösen sondern an allen Fehlkonstruktionen festzuhalten ("ignoring the reality"), könnte man ja auf diesen Willen vertrauen. Der EFSF-Fonds ist mit 700 Mrd. dotiert und noch kaum in Anspruch genommen, also dürfte "Platz" für die ca. € 150 Mrd. an griechischen Schulden sein, die in den nächsten Jahren zur Refinanzierung anstehen.

Durch die steigenden Preise formt sich bei der "Allgemeinheit" ein Eindruck: die Beschlüsse greifen, wir befinden uns auf dem richtigen Weg! Man konnte es bereits am Donnerstag in den Nachrichten vernehmen und es zeigt sich auch in den Kommentaren von Ökonomen danach: praktisch niemand sieht die Beschlüsse als Problemlösung, aber alle sind ganz voll lobender Worte.

Doch wahrscheinlich freut sich die Öffentlichkeit und die Politik zu früh. Denn die Preise klettern weiter bis zu zwei interessanten Levels. Level 1 liegt etwa auf dem "Wert" der Umtauschofferten. All die "freundlichen Banker und Versicherer", die sich an der Problemlösung ja durch "Verzicht" beteiligen wollen, haben plötzlich die Option, statt eines Tausches zu Marktpreisen zu verkaufen. Sollte just zu dieser Zeit die Politik gerade beschlossen haben, ihre Option 2 - den Rückkauf - zu starten, stehen neben den Wölfen sogar weitere Käufer für die Privatgläubiger bereit. Statt also die Schulden zu strecken, dürfte diese Anlegergruppe nun eher die Bonds verkaufen. Das Ergebnis wird also sein, dass immer mehr Anleihen beim EFSF landen und die Schuldenreduzierung durch den Rückkauf kaum mehr als 20% betragen dürfte. Insgesamt reduzieren sich Griechenlands Schulden um weniger als 30 Mrd.

In dieser Phase dürften zwar einige der Wölfe Gewinne mitnehmen, andere dürften aber darauf spekulieren, dass die Politik die Bonds planmäßig tilgen muss. Denn derzeit ist ja keine Rede von einem Zwangsumtausch, wie er zum Beispiel nach einem "echten" Default in einer Gläubigerversammlung beschlossen werden könnte. Wir haben es hier mit einem politischen Beschluss unter sehr selektiver Beteiligung einiger "Top-Banker" zu tun, der für einen Hedgefonds oder sonstigen Anleger keine Bindung hat. Letztlich könnten alle Gläubiger, ob Wolf oder Banker, auf eine planmäßige Tilgung setzen, welche die Politik wohl faktisch betreiben muss, will sie nicht binnen weniger Monate doch die unkontrollierte Insolvenz riskieren. Damit erhalten die Wölfe eine ganz fette Dividende zu Lasten der Steuerzahler und die effektive Schuldenreduktion beträgt deshalb wohl deutlich weniger als 20%!

Doch nicht genug! Was macht ein "gewissenhafter" Wolf, der einen so "riskanten" Trade macht? Er hedged sich trotzdem. Der beste Hedge ist aber nicht, die Bundesanleihen zu shorten. Der beste Hedge ist, belgische oder italienische Staatsanleihen zu verkaufen und mit diesem Geld Anleihen von Griechenland, Portugal oder Irland zu erwerben. Denn wenn das EU-Manöver scheitert, sind die Verluste hier sicher größer, als bei Griechenbonds, die schon bei 50% notieren.

Die Wölfe sahnen also bei Greece & Co. richtig ab und halten die Politik über Italien & Co. in Atem. Solange hier die Probleme akut bleiben, wird die Politik weiter in gewünschter Art und Weise "funktionieren"!!!

Das ist also das Ergebnis des vielbejubelten Gipfels vom Donnerstag! Unglaublich, unfassbar, unerträglich. Aber weil es ja vermeintlich der Politik dient, werden die Wölfe bejubelt. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund"

Doch diese Geschichte hat kein Happy End für die Politik. Das Ergebnis dieses Prozesses, sofern er nicht noch durch einen Bundestagsbeschluss oder ein anderes Event ausgehebelt wird (was zu hoffen ist!), ist, dass die 700 Mrd. EFSF-Gelder für die Anleihen Griechenlands, Portugals und Irlands eingesetzt werden, die Wölfe ihren Reihbach machen und die Banken und Versicherer sich ihrer "unerwarteten" Wertaufholungen erfreuen - jedoch "ganz unerwartet" die Wölfe trotzdem nicht ihre Shorts in Italien & Co. eindecken, sondern im Gegenteil - mit Verweis auf das zu geringe Volumen des EFSF - nun noch mehr Italien & Co. shorten! Die Ratingagenturen, die anfangs den EFSF natürlich AAA einstufen, werden nun mit Hinweis auf die schwindende Schuldentragfähigkeit von Italien & Co. sowohl diese Länder, die ja auch am EFSF beteiligt sind, als auch zunehmend das Konstrukt EFSF hinterfragen. Und dann? "Ultimately, you can't ignore the consequences of ignoring the reality!"

Prof. Shiller, Yale University, hat am 22.7. in der Börsen Zeitung zu recht darauf hingewiesen, dass eine wie auch immer geartete Schuldengrenze in % des BIP als Marktbarometer nicht taugt und die Schuldenkrise vor allem deshalb eine solche Dynamik erfahren hat, weil es um selbstverstärkende Wahrnehmungsprozesse geht. Vertrauen ist wie ein scheues Reh, es ist leicht verloren und schwer wieder zu erlangen. In weiten Teilen der Bevölkerung ist dieses Vertrauen so stark beschädigt worden, dass es durch einen "faulen Zauber" nicht zurückkehren wird.

Thursday, July 21, 2011

Kaschieren statt reduzieren

Die Märkte feiern - die Medien jubeln! Wir haben ein neues Rettungspaket, endlich eines, "welches das Übel an den Wurzeln pakt", wie es unsere Bundeskanzlerin als Losung vor dem heutigen Gipfel ausgegeben hat. Eines, welches endlich die Beteiligung der Privaten an der Schuldenproblematik bringt.

Nun, in einem stimmt das oben stehende: wir privaten Steuerzahler sind in der Tat kräftig beteiligt. Aber eine Lösung der Schuldenproblematik und ein Ende der Krise der europäischen Politik ist dieser Kompromiss sicher nicht.

Was genau beschlossen wurde, kann man hier und hier nachlesen.

Einerseits könnten wir ja zufrieden sein, immerhin ist man auf die Idee mit dem Rückkauf von Anleihen, wie wir ihn hier bereits vor mehr als einem Jahr vorgeschlagen haben, eingegangen. Doch die Sache hat einen Haken, weshalb wir im Dezember 2010 mit der "Investor-Put"-Lösung nachgelegt haben. Denn wie wickelt man diesen Rückkauf ab? Wird für jede Anleihe ein Geldkurs öffentlich genannt? Kaufen unsere Politiker einfach wahllos am Markt (wer kontrolliert diesen Prozess?), was bei steigenden Preisen die Reduzierung der Schulden wieder relativiert? Und warum soll überhaupt jemand Anleihen verkaufen? Schließlich soll der "Default", also der Zahlungsausfall dadurch ja vermieden werden.

Wenn sich die großen Player am Markt, die mit der Politik ihre eigene Beteiligung aushandeln durften (etwas, was man der Versorgerbranche beim erst jünsgt erfolgten Atomausstieg nicht mehr erlaubte), an die Regelung halten - schön und gut. Aber was ist mit allen anderen privaten Gläubigern, die nicht gefragt wurden und die sich nun sagen: zahlt mir bitte meine Anleihen zum Nennwert zurück! Ein Zwang ist hier eigentlich nicht möglich ohne Prozesse und unkalkulierbare Risiken einzugehen.

Darüber hinaus werden den Gläubigern interessante "freiwillige" Umtauschofferten gemacht, die allesamt den Vorzug für die privaten Gläubiger haben, weniger schmerzhaft zu sein, als ein Verkauf zu Marktpreisen.

Wie bei solch großzügigen Politikgeschenken der griechische Schuldenstand nennenswert sinken soll, wissen nur unsere Regierungen. Bei den heutigen Beschlüssen ist nur eines gewiss: den Euro-Bürokraten ist nun ein 700 Mrd. Fonds anvertraut worden, die diese binnen kürzester Zeit zum Ankauf allerlei minderwertiger europäischer Schuldtitel einsetzen werden ("erweiterte Kompetenzen" - mir graut es!).

Bemerkenswert heute abend im TV die Kommentare in ARD und ZDF: "den deutschen Steuerzahler kostet es nichts!" Wow, welch ein Unsachverstand. Natürlich kostet es uns was, da eigentlich nun ca. 30% des auflaufenden EFSF-Anleihebestandes auf unsere Staatsschuld anzurechnen sind - mit einem entsprechenden "Gegenwert" an weitgehend wertlosen Schuldtiteln aus Griechenland und Co. Und was für Deutschland gilt, gilt auch für alle anderen EU-Ländern, die faktisch über die Solidarhaftung höhere Schulden aufgeladen bekommen. Wird dies deren Schuldenposition verbessern?

Und Griechenland wird so bestimmt NICHT kapitalmarktfähig, da die Schuldenlast nicht reduziert sondern kaschiert wird. Im Gegenteil: Griechenland wird so zum EFSF-Dauerkunden, zur Keimzelle der Euro-Gesamthaftung - nur ohne demokratische Legitimation.

Was werden die Märkte daraus machen? Nun, ganz sicher wird der Markt die Banken und Versicherungen feiern, denn die freuen sich über die unerwartete Wertaufholung und das klare Bekenntnis der Politik, diesen armen, verfolgten Berufsstand auch weiter zu verschonen. Man hat sich mal wieder etwas Zeit gekauft, mehr aber nicht. Denn natürlich löst diese Entscheidung kein Problem, im Gegenteil.

Uns würde es nicht wundern, wenn die Märkte nun relativ zügig auch für Portugal und Irland diese "Lösung" erzwingen. Dann sind die bereitgestellten EFSF-Mittel weitgehend verplant / aufgebraucht. Dann darf nichts, aber auch nichts mehr schiefgehen. Weder dürfen die Märkte in einen Bondkäuferstreik treten, noch darf die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleiten. Wenn doch, platzt das Kartenhaus atemberaubend.

Wir sind in einem Ponzi-Schema gefangen und vielleicht hat die Politik es gerade noch einmal geschafft, ein paar neue Spieler in das System hineinzuziehen. Doch an der Wurzel, liebe Frau Merkel, haben Sie das Problem mit Sicherheit nicht angepackt. Ihren Beratern Ackermann & Co. haben Sie jedoch einen guten Dienst erwiesen. Dem "Deutschen Volke" wohl kaum.

Sunday, July 17, 2011

Keine Angst vor der Angst

US-Präsident Obama spricht von "Armageddon", die Deutsche Bank von Rückschlags-Risiken um die 30% am Aktienmarkt und in Europa brodelt der südeuropäische Renditekessel immer heißer. Die Bankaktien beginnen zu erodieren und der Bund-Future springt binnen Tagen auf 131 Punkte. Europa diskutiert, streitet und rechnet, die USA streiten, rechnen und diskutieren. Ungeachtet dieser Meldungen und Marktereignisse überkommt es den Anleger untypischerweise nicht mit Angst. Diesen Stimmungszustand versucht uns zwar die eine oder andere Zeitungsmeldung zu vermitteln, doch das Anlegersentiment spricht eine andere Sprache: Es fehlt trotz der Horror-Szenarien, die laut dikutiert werden, an Angst. Das sentix Sentiment ist gerade einmal neutral, was weder zur Nachrichtenlage noch zur Dimension der anstehenden Ereignisse passt. Ein Blick ins Jahr 2009 und 2010 liefert jede Menge Beispiele, wo durch weitaus weniger Dramaturgie mehr Angst aufkam. Warum fehlt diese heuer?

sentix Sentiment deutsche Aktien (grün) und DAX (blau)

Eine Ursache könnte darin liegen, dass die Investoren in ihrem Innersten wissen, dass es im Allgemeinen um die Werthaltigkeit von vielen Anlagen schlecht bestellt ist, ob Aktien, Renten, Währungen und auch um so mancher Immobilienanlage. Es fehlt an Alternativen, wo man mit seinem Geld hin muss. So entscheidet man sich für das geringere Übel, zudem noch Teile der Wirtschaft (Autobauer) in hellem Glanz erstrahlen. Das ganze Volumen in Gold zu stecken ist ebenfalls mit erheblichen Risiken verbunden, auch wenn das Gold als eine der logischten Anlagealternativen erscheint. Damit kommen die Anleger nicht an der Aktie vorbei, und hoffen dabei, dass ein Crash oder ein Armageddon nicht im Interesse aller sein kann. Die Politik wird es schon richten!
Unwohlsein bleibt
Die Anlegerseele lässt sich vielmehr mit einem Gefühl starken Unwohlseins beschreiben, das sich in der vom Anleger geäußerten mittelfristigen Zuversicht ausdrückt. Das Potpourri aus fehlender Angst und schwindender mittelfristiger Zuversicht lähmt die Anleger, große Entscheidungen zu treffen. Der Anleger scheint vielmehr mit sich und der Politik zu feilschen, ob das Ganze noch gut ausgehen kann. Die Folge ist, dass die Irritationswerte nach oben schnellen und sich immer mehr Anleger an die Seitenlinie bewegen, um den Ausgang zu beobachten. Damit steht ein großer Impuls am Aktienmarkt an, denn der Anpassungsbedarf ist hoch. Egal, wie sich die Politik entscheidet und welches Kursfeuerwerk die erwarteten "Rettungsbeschlüsse" verursachen mögen, eines scheint sicher: Das Ende der Krise ohne finale Angst kann nicht durch noch so große Staatseinfgriffe erkauft werden. Dies belegt die Finanzgeschichte mit vielen Beispielen. Ob QE 3.0, Anhebung der US-Schuldenobergrenze, Schuldenschnitte oder auch Eurobonds, alles sind Maßnahmen, die an den Kapitalmärkten zwar kurzfristig für Entlastung sorgen, aber gleichzeitig das Fundament für zukünftige Angst legen. Immerhin befinden wir uns im strategischen Kontext "in der schönsten Galgenfrist aller Zeiten" (Titel unseres Jahresausblicks 2011). Das "Finale Grande" wird unweigerlich kommen, ob kurzfristig oder auch danach.

Tuesday, July 12, 2011

VW-Stress am Bundesanleihe-Markt

Mit dem steilen Anstieg spanischer und vor allem italienischer Zinsen ist der Eindruck kaum noch zu unterdrücken, dass die Schuldenkrise vollends außer Kontrolle geraten ist. Neben Griechenland notieren nun auch die langfristigen Zinssätze von Portugal und Irland auf Ramschniveau, womit diesen Ländern der Kapitalmarktzugang entzogen wird. Gleichzeitig erweckt die Politik den Eindruck ratlos und zerstritten zu sein.
Für die Investoren ist dies eine ganz schwierige Situation. Mit Hilfe der sentix Sentimentanalyse können einige Problemfelder aufgedeckt und daraus Ideen zur weiteren Kapitalmarktentwicklung und zur eigenen Strategie abgeleitet werden.

Eine überraschende Entwicklung ist von den kurzfristigen Sentimentwerten zu vermelden. Diese sind trotz der Turbulenzen vom Freitag kaum gesunken. Die Anleger zeigen sich kaum beeindruckt vom Aufflammen der Euro-Schuldenkrise und den enttäuschenden US-Konjunkturdaten. Offensichtlich wollen die Anleger zwischen der "guten Konjunktur in Deutschland" und den Problemfeldern separieren. Das ist einerseits mit Blick auf die aktuell noch gute Konjunkturlage verständlich. Jedoch scheinen die Investoren zu übersehen, dass dauerhaft steigende Zinsen im restlichen Europa und eine immer größere Verunsicherung der Bevölkerung durch die Schuldenkrise letztendlich auch realwirtschaftliche Konsequenzen haben. Immerhin exportiert Deutschland noch immer am meisten in die EU und steigende Zinsen waren selten gut für die Wirtschaft.

Die Schuldenkrise treibt auch den Bund Future an. Hier kommen zwei wesentliche Faktoren zum Tragen. Einerseits wird in vielen Anlagegremien nun die Asset Allocation überdacht. Was einstmals als reines Zinsrisiko galt, ist nun Zins- und Kreditrisiko. Hier darf der immense Anpassungsbedarf nicht unterschätzt werden. Es handelt sich bei belgischen, französischen oder italienischen Anleihen nicht um Randinvestments, sondern um die Kerninvestments aller Investoren in den jeweiligen Ländern. Dieser Anpassungsprozess wird noch dadurch erschwert, dass die herrschenden Risikomodelle auf eine solche Entwicklung genauso wenig vorbereitet sind, wie die Investoren selbst, die nur in den wenigsten Fällen eigenes fundiertes Research zu diesen Kreditfragen betreiben. Hier müssen sich neue Heuristiken und Standards etablieren, was auch den einen oder anderen Anlagefehler mit einschließt.

Andererseits sehen wir aus der verhaltensorientierten Analyse Parallelen der Entwicklung im Bundesanleihemarkt mit der Entwicklung der VW-Aktien in 2008. Damals stiegen die VW-Kurse nicht nur wegen der Optionsgeschäfte von Porsche, sondern auch wegen eines institutionellen Anlagefehlers. Denn viele Profis hatten VW-Aktien schon bei Kursen um € 150 verkauft, da diese Aktie fundamental überteuert schien. Gleichzeitig erforderte die Finanzkrise eine Absicherung des Aktienbestandes, was viele durch Verkauf von DAX- oder EuroSTOXX-Futures taten. Damit wurde jedoch auch die VW-Aktie abgesichert (Indexmitglied), welche viele Investoren nicht mehr im Bestand hatten. Als dann die anderen Aktien fielen und VW stieg, waren diese Investoren doppelt gekniffen. Denn die Absicherung funktionierte nicht, da VW als hoch gewichteter Indexwert stieg und somit die Futures stabil blieben, gleichzeitig aber alle anderen Aktien im Wert verloren. Das Endergebnis war, dass letztlich dieser sogenannte "Hedge-Mismatch" ausgeglichen werden musste, mit dem Ergebnis, dass die VW-Aktie noch mehr stieg und die restlichen Aktien noch mehr fielen.

Bei den Bundesanleihen ist es derzeit ähnlich. Viele Investoren haben ihre Zinsrisiken über den Bund-Future-Markt reduziert, gleichzeitig besteht das Portfolio aber nicht nur aus Bundesanleihen, sondern auch aus Pfandbriefen und anderen Staatsanleihen. Wenn nun die Kurse dieser Staatsanleihen fallen und der Bund-Future als sicherer Hafen gesucht ist, funktioniert auch hier die Strategie nicht. Es entstehen doppelte Verluste, die Probleme eskalieren.

Dies sollte ein Anleger im Hinterkopf behalten, wenn er die derzeitige Kursentwicklung von Bundesanleihen bewertet. Fundamental mag diese Tendenz nicht nachvollziehbar sein, aber massive Fehlpositionierungen der Anleger sind in diesem Fall eine wichtige fundamentale Information.

Eignen sich Bundesanleihen dann als Investmentchance? Diese Frage kann man mit einer Gegenfrage beantworten. War VW bei € 300,-- ein Kauf? Unter ganz kurzfristigen, taktischen Gesichtspunkten kann eine solche Kursrallye erheblich weiter tragen. "Märkte können lange zu Übertreibungen neigen", wusste schon John Maynard Keynes. Der hohe Wert von +9 im sentix Overconfidence Index unterstreicht aber, dass diesen Chancen inzwischen ganz erhebliche Risiken entgegen stehen. Dieser Indikator schwankt zwischen +13 und -13. Nur zweimal in der mehr als 10jährigen sentix Historie wurde ein solch hoher Wert im Bund Future erreicht. Wer sich hier tummeln will, sollte es sich deshalb besser genau überlegen.

Eine Assetklasse scheint dagegen derzeit eigene Bahnen zu ziehen, das Gold. Ein intakter technischer Trend und eine abgeschlossene Marktkonsolidierung sind in Verbindung mit einem wieder ansteigenden mittelfristigen Sentiment gute Voraussetzungen für weitere Kursgewinne.

Sunday, July 10, 2011

Spreads "out of control"?

Die Entwicklung an den Spreadmärkten deutet auf Ungemach für die Kapitalmärkte hin, zumal diese offensichtlich von den Marktteilnehmern nur bedingt wahrgenommen wird. Wir stellen eine starke Tendenz der Anleger fest, zwischen der Euro-Schuldenproblematik und der Konjunktur zu separieren.


Zinsspread Spanien (grau) und Italien (orange) gegenüber Bundesanleihen

Der Markt stresst an dieser Stelle weiter und führt mit Italien ein weiteres Land in den Fokus. Die bisherigen "Rettungsversuche" der Politik mögen bei einem isolierten Problem "Griechenland" funktionieren, stossen aber bei weiteren Kandidaten Portugal und Irland (handeln beide auf Ramsch-Niveau; gleiches Niveau wie Griechenland im April!) oder gar Spanien / Italien auf massive Probleme.

Zu beachten ist die Rückkopplung dieser Trends auf die Interbanken-Situation:


iTraxx Subindex Banken (blau) und 10J Zinsen Spanien (orange)

Es bleibt dabei: bei der derzeit gewählten politischen Linie besteht die Gefahr, dass die Euro-Schuldenkrise außer Kontrolle gerät.

EUR-USD und Zinsdifferenzen


EUR-USD (blau) und Zinsdifferenz 10J Bundesanleihen vs. 10J Treasuries (grün), 2J Laufzeit (orange)

EUR-USD könnte über die Entwicklung der Zinsdifferenzen unter Druck kommen. Besonders wichtig sind die Differenzen der 2jährigen Anleihen (orange), während die 10jährigen Differenzen weniger einen direkten Einfluss haben, sondern aufgrund ihres Vorlaufs für den gesamten Zinsmarkt Vorwarncharakter haben!

Wednesday, July 6, 2011

sentix-Sonderumfrage zum Thema Griechenland

Letzte Woche haben wir in Kooperation mit dem Handelsblatt eine Sonderumfrage zu Griechenland durchgeführt. In der heutigen Ausgabe des Handelsblattes findet sich dazu eine ausführliche Kommentierung.

Die Detailergebnisse können hier eingesehen werden:
http://www.sentix.de/premium/sentix_hb_griechenland_sonderumfrage_30062011.pdf

Friday, July 1, 2011

Euro-Bonds durch die Hintertür

Stell Dir vor, die Euro-Bonds werden eingeführt und keiner kriegt es mit! Investoren rund um den Globus begrüßen die "freiwillige" und "substantielle" Beteiligung des privaten Sektors an der Lösung der Griechenland-Krise. Solche "Beiträge" leisten die Banken aber gerne. Ein Essay über einen unglaublichen Vorgang.

Was genau wurde vereinbart: Fällige griechische Anleihen werden "planmäßig" zurückgezahlt. Den Erlös von 100% des Nennwertes behalten die Banken zu 30% und die restlichen 70% investieren die Banken "freiwillig" (deshalb braucht es auch eine Vereinbarung ...) wieder in Griechenland-Anleihen mi einer Laufzeit von 30 Jahren. (1. Nebenrechnung: 30% müssen also schon einmal von den anderen EU-Ländern finanziert werden)

Von diesen 70% müssen die Griechen 20% in eine Zweckgesellschaft (auch SIV genannt; das waren die Konstrukte, die uns schon einmal fast an den Rand des Finanzcrashs gebracht haben) einbringen, die die Mittel in EFSF-Bonds (also Bonds der Euro-Gemeinschaft) mit 30 Jahren Laufzeit investiert. Diese Bonds stehen den Banken in 30 Jahren als Garantie zur Verfügung, damit diese dann 100% Ihres Nennwertes zurückerhalten. Exkurs: so funktioniert der Zinsenzins. (2. Nebenrechnung: diese 20% werden ebenfalls von den EU-Ländern finanziert, da die Griechen ja kein Geld haben, um eine Zweckgesellschaft zu dotieren)

50% der fälligen Anleihen sind damit schon einmal unmittelbar EU-garantiert. Da man allgemein die Auffassung vertritt, dass im Pleite-Fall die Gläubiger Griechenlands mindestens auf 50% der Forderung verzichten müssten, ist dieses Minimalziel aus Bankensicht schon einmal gesichert. Ab jetzt wird es Tag für Tag nur besser!

Auf Verfall gerechnet ist nämlich die gesamte (!) derzeitige Nominalschuld Griechenlands, welche die Banken in ihren Büchern haben, direkt durch die EU-Staaten (30% Sofort-Rückzahlung) oder durch EFSF-Bonds garantiert. Würde dieses Schema in den nächsten Jahren "planmäßig" vollzogen, ist praktisch fixiert, dass sich die komplette Griechenland-Schuld in eine Euro-Gemeinschaftsschuld wandelt! Der Start in die Gemeinschaftsfinanzierung ist damit besiegelt!

Welches Risiko tragen dann die Banken noch: nun, faktisch nur noch das Risiko, dass sie die laufenden Zinszahlungen nicht erhalten. Es ist aber natürlich für einen Staat bzw. Schuldner immer leichter, nur die fälligen Zinsen zu erwirtschaften, als auch noch die anstehenden Fälligkeiten.

Beispiel: wenn im August 2011 eine Anleihe im Volumen von 10 Mrd. Euro zur Zinszahlung ansteht, beträgt der Finanzierungsbedarf bei 5% Kupon € 500 Mio. Muss die Anleihe auch zurückgezahlt werden, sind € 10.500 Mio. aufzubringen. Wollte ein Staat auf Sicht von 10 Jahren die Rückzahlung "sichern", müsste er in seiner jährlichen Budgetrechnung statt € 500 Mio. nun ca. € 1.500 Mio. erwirtschaften (1/10tel des Kapitals plus Zinsen). Es versteht sich von selbst, dass es den Griechen selbst bei schwächerer Wirtschaft sehr viel leichter fallen dürfte, nur die Zinsen zu erwirtschaften, als auch noch eine Rückzahlung zu sichern. Um die Rückzahlung bei diesem als "Pariser Modell" genannten Verfahren müssen sich die Griechen nun jeodch nicht mehr sorgen. Diese erfolgt nun durch die Euro-Staaten, welche ja die dazu vorgesehenen 20% bereitstellen!

Die Banken tragen deshalb faktisch kein Risiko mehr. Im Gegenteil. Sie sollen bei einer "Besserung" der griechischen Wirtschaft auch noch durch steigende (!) Zinszahlungen belohnt werden. Sollte sich die fundamentale Entwicklung in Griechenland tatsächlich bessern, würden die Banken doppelt belohnt. Ihre Anlagen werden sicherer und die Erträge steigen!

Eigentlich sollte es sich umgekehrt verhalten: je höher das Risiko, desto höher die Rendite. Ackermann & Co. haben es geschafft, dieses Prinzip erneut umzukehren! Ein unglaublicher Vorgang, dreist - mir fehlen fast die Worte. Aber war wirklich anderes zu erwarten (siehe "Dümmer geht's nimmer")?

In gewisser Weise ist es deshalb sogar verständlich, dass die Märkte (zunächst) freundlich reagieren. Wenn Geld von uns allen zu ein paar Wenigen privatisiert wird, dann ist Feierlaune verständlich. Sind unsere Politiker so blind, das nicht zu erkennen? Natürlich steht viel auf dem Spiel, natürlich wäre eine Pleite Griechenlands fatal. Aber ist der derzeit gewählte Weg die Lösung? In jedem Fall ist es ein ungeheuerlicher Eingriff in die Eigentumsverhältnisse von allen Bürgern! Wir sind in einem Ponzi Schema gefangen und als Wirtschaftsfachmann ist es ein schmerzhafter Vorgang, Tag für Tag mit anzusehen, wie sich unsere Wirtschaftsordnung mehr und mehr auflöst - und vor allem: dass dies so vorhersehbar geschieht (siehe sentix Jahresausblicke 2010 und 2011) - es läuft erschreckend "planmäßig". Für die Banken und die Finanzmärkte die "schönste Galgenfrist aller Zeiten" (Titel des sentix Jahresausblicks für 2011)

Doch das wird Ihnen der Banken-Volkswirt Ihres Vertrauens nicht sagen ...

Wie immer bleiben aus verhaltensorientierter (Behavioral Finance) Sicht aber ein paar Fragen offen, die zum Spielverderber für "Retter" und "Gerettete" werden könnten :
  • Was passiert, wenn der griechische Spar-Eifer nachlässt und / oder die Wirtschaft weiter schwächelt und Griechenland noch nicht einmal die Zinsen erwirtschaft?
  • Was passiert, wenn eine der "bösen" Rating-Agenturen die Aktion doch als Default wertet?
  • Was passiert, wenn die Märkte diese "Lösung" nicht nur für Griechenland, sondern auch für Portugal und Irland einfordern? Diese Bonds liegen ja auch unter Wasser und können aus Sicht der Banken ebenfalls "Sozialhilfe" vertragen. Wollen wir dieses Schauspiel der letzten Wochen und Monate immer wieder wiederholen?
  • Muss man Griechen-Bonds jetzt kaufen? Die Anleihen mit Fälligkeit Mai 2013 handeln noch immer bei Renditen von 25%. Gilt dieses verlockende Angebot eigentlich nur für Banken? Ok, die Verhandlungen werden immer nur mit einer kleinen, ausgewählten Elite im Hinterzimmer geführt, aber die Ergebnisse gelten für alle? Was ist mit den Klein-Investoren? Selbst wer nur € 1.000,-- dort investiert hat (wie zum Beispiel unser Ex-Finanzminister Eichel - Sie erinnern sich an die Handelsblatt-Rettungsaktion und unseren offenen Brief an Gabor Steingart, bei der unser "Eichel" seine ersten Investmenterfahrungen machte?), würde, wenn er sein Geld nicht zurück bekäme, ein Default-Ereignis auslösen
  • Würde jemand ernsthaft daran glauben, dass die vorgestellten "Maßnahmen" wirklich eine Rettung Griechenlands bedeuten, müsste man diese Bonds massiv kaufen, jedoch nicht (!) an der freiwilligen Lösung teilnehmen! Das wäre ein Geschäft. Oder deuten die Renditesteigerungen bei den Retter-Staaten darauf hin, dass durch diesen Deal alle in die Abwärtsspirale gezogen werden?
  • Gibt es noch irgendwo einen Politiker, dem die Systemtreue nicht so wichtig ist wie seine Verantwortung für Freiheit, Eigentum und Demokratie? Wenn ja: es wird Zeit zu handeln!

Intelligenz und gesunder Menschenverstand werden wohl nicht mehr von alleine Einzug in Regierungshandeln halten. Es wird deshalb Zeit, dass die Bürger endlich aufwachen und ein klares NEIN zu solcher Politik sagen. Der Souverän, der Eigentümer dieses Landes, ist gefordert!

Mein Appell an alle Leser: lassen Sie uns etwas gegen diesen Wahnsinn unternehmen. Ein erster Schritt könnte es für Sie sein, sich an dieser Petition zu beteiligen. Kontaktieren Sie Ihren Wahlkreis-Abgeordneten, lassen Sie uns Druck aufbauen, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Nie zuvor hatte ich das Gefühl, dass unsere Freiheit, unser Eigentum, unsere Demokratie und unsere Volkssouveränität so sehr in Gefahr sind, wie heute!