Tuesday, July 12, 2011

VW-Stress am Bundesanleihe-Markt

Mit dem steilen Anstieg spanischer und vor allem italienischer Zinsen ist der Eindruck kaum noch zu unterdrücken, dass die Schuldenkrise vollends außer Kontrolle geraten ist. Neben Griechenland notieren nun auch die langfristigen Zinssätze von Portugal und Irland auf Ramschniveau, womit diesen Ländern der Kapitalmarktzugang entzogen wird. Gleichzeitig erweckt die Politik den Eindruck ratlos und zerstritten zu sein.
Für die Investoren ist dies eine ganz schwierige Situation. Mit Hilfe der sentix Sentimentanalyse können einige Problemfelder aufgedeckt und daraus Ideen zur weiteren Kapitalmarktentwicklung und zur eigenen Strategie abgeleitet werden.

Eine überraschende Entwicklung ist von den kurzfristigen Sentimentwerten zu vermelden. Diese sind trotz der Turbulenzen vom Freitag kaum gesunken. Die Anleger zeigen sich kaum beeindruckt vom Aufflammen der Euro-Schuldenkrise und den enttäuschenden US-Konjunkturdaten. Offensichtlich wollen die Anleger zwischen der "guten Konjunktur in Deutschland" und den Problemfeldern separieren. Das ist einerseits mit Blick auf die aktuell noch gute Konjunkturlage verständlich. Jedoch scheinen die Investoren zu übersehen, dass dauerhaft steigende Zinsen im restlichen Europa und eine immer größere Verunsicherung der Bevölkerung durch die Schuldenkrise letztendlich auch realwirtschaftliche Konsequenzen haben. Immerhin exportiert Deutschland noch immer am meisten in die EU und steigende Zinsen waren selten gut für die Wirtschaft.

Die Schuldenkrise treibt auch den Bund Future an. Hier kommen zwei wesentliche Faktoren zum Tragen. Einerseits wird in vielen Anlagegremien nun die Asset Allocation überdacht. Was einstmals als reines Zinsrisiko galt, ist nun Zins- und Kreditrisiko. Hier darf der immense Anpassungsbedarf nicht unterschätzt werden. Es handelt sich bei belgischen, französischen oder italienischen Anleihen nicht um Randinvestments, sondern um die Kerninvestments aller Investoren in den jeweiligen Ländern. Dieser Anpassungsprozess wird noch dadurch erschwert, dass die herrschenden Risikomodelle auf eine solche Entwicklung genauso wenig vorbereitet sind, wie die Investoren selbst, die nur in den wenigsten Fällen eigenes fundiertes Research zu diesen Kreditfragen betreiben. Hier müssen sich neue Heuristiken und Standards etablieren, was auch den einen oder anderen Anlagefehler mit einschließt.

Andererseits sehen wir aus der verhaltensorientierten Analyse Parallelen der Entwicklung im Bundesanleihemarkt mit der Entwicklung der VW-Aktien in 2008. Damals stiegen die VW-Kurse nicht nur wegen der Optionsgeschäfte von Porsche, sondern auch wegen eines institutionellen Anlagefehlers. Denn viele Profis hatten VW-Aktien schon bei Kursen um € 150 verkauft, da diese Aktie fundamental überteuert schien. Gleichzeitig erforderte die Finanzkrise eine Absicherung des Aktienbestandes, was viele durch Verkauf von DAX- oder EuroSTOXX-Futures taten. Damit wurde jedoch auch die VW-Aktie abgesichert (Indexmitglied), welche viele Investoren nicht mehr im Bestand hatten. Als dann die anderen Aktien fielen und VW stieg, waren diese Investoren doppelt gekniffen. Denn die Absicherung funktionierte nicht, da VW als hoch gewichteter Indexwert stieg und somit die Futures stabil blieben, gleichzeitig aber alle anderen Aktien im Wert verloren. Das Endergebnis war, dass letztlich dieser sogenannte "Hedge-Mismatch" ausgeglichen werden musste, mit dem Ergebnis, dass die VW-Aktie noch mehr stieg und die restlichen Aktien noch mehr fielen.

Bei den Bundesanleihen ist es derzeit ähnlich. Viele Investoren haben ihre Zinsrisiken über den Bund-Future-Markt reduziert, gleichzeitig besteht das Portfolio aber nicht nur aus Bundesanleihen, sondern auch aus Pfandbriefen und anderen Staatsanleihen. Wenn nun die Kurse dieser Staatsanleihen fallen und der Bund-Future als sicherer Hafen gesucht ist, funktioniert auch hier die Strategie nicht. Es entstehen doppelte Verluste, die Probleme eskalieren.

Dies sollte ein Anleger im Hinterkopf behalten, wenn er die derzeitige Kursentwicklung von Bundesanleihen bewertet. Fundamental mag diese Tendenz nicht nachvollziehbar sein, aber massive Fehlpositionierungen der Anleger sind in diesem Fall eine wichtige fundamentale Information.

Eignen sich Bundesanleihen dann als Investmentchance? Diese Frage kann man mit einer Gegenfrage beantworten. War VW bei € 300,-- ein Kauf? Unter ganz kurzfristigen, taktischen Gesichtspunkten kann eine solche Kursrallye erheblich weiter tragen. "Märkte können lange zu Übertreibungen neigen", wusste schon John Maynard Keynes. Der hohe Wert von +9 im sentix Overconfidence Index unterstreicht aber, dass diesen Chancen inzwischen ganz erhebliche Risiken entgegen stehen. Dieser Indikator schwankt zwischen +13 und -13. Nur zweimal in der mehr als 10jährigen sentix Historie wurde ein solch hoher Wert im Bund Future erreicht. Wer sich hier tummeln will, sollte es sich deshalb besser genau überlegen.

Eine Assetklasse scheint dagegen derzeit eigene Bahnen zu ziehen, das Gold. Ein intakter technischer Trend und eine abgeschlossene Marktkonsolidierung sind in Verbindung mit einem wieder ansteigenden mittelfristigen Sentiment gute Voraussetzungen für weitere Kursgewinne.

3 comments:

  1. Das Vertrauen der Anleger

    Nichts, was normalerweise nichts kostet, ist in "dieser Welt" so teuer wie der Geldkreislauf, denn wir leben nicht in der Normalität, sondern in einer kollektiven Wahnvorstellung – die sich auflösen wird, sobald das "Vertrauen der Anleger" verloren geht:

    "God said 'Cancel Program GENESIS'. The universe ceased to exist."

    Diese "letzten 10 Worte" übergab mir Arthur C. Clarke kurz nach seinem 85. Geburtstag im Dezember 2002 mit der beiläufigen Bemerkung: "First you must cancel this useless program, my son. I’m too old for that." Den Rest der Dreiviertelstunde amüsierten wir uns über die Dummheiten Politik und Religion, bis Arthur die Unterhaltung beenden musste, weil das Lachen ihm aufgrund seiner schweren Krankheit zu starke Schmerzen verursachte.

    Was es mit den beiden Lachnummern auf sich hat, ist erst zu erkennen, wenn man sich mit Volkswirtschaft beschäftigt, ein weiteres Gebiet, das einen vernünftigen Menschen nicht interessiert – es sei denn, man stößt durch den berühmten Zufall auf ein Werk, das alle vernünftigen Menschen interessieren sollte: "Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld", Silvio Gesell, 1916. Politik ist danach einfach. Die treffendste Definition formulierte der Freiwirtschaftler Otto Valentin in einem Artikel mit dem Titel "Warum alle bisherige Politik versagen musste" 1949: "Im Grunde ist Politik nichts anderes als der Kampf zwischen den Zinsbeziehern, den Nutznießern des Geld- und Bodenmonopols, einerseits und den Werktätigen, die den Zins bezahlen müssen, andererseits." Mit anderen Worten: In der Natürlichen Wirtschaftsordnung wird Politik obsolet.

    Die Religion ist komplizierter, denn wir existieren innerhalb des Programms Genesis. Wer es von außen betrachten will, muss einen Erkenntnisprozess durchlaufen, der einen buchstäblich über den Rand der Welt fallen lässt, wie bildlich dargestellt in "2001: Odyssee im Weltraum" (Stanley Kubrick / Arthur C. Clarke, 1968) als "Flug durch das Sternentor" des Astronauten David Bowman: die "Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion". Ist man in der Welt der Lebenden angekommen, ist zunächst festzustellen, dass diese mit nur einer Person äußert dünn besiedelt ist, während die wandelnden Leichen in der äußeren Umgebung sich kaum aus dem Programm Genesis lösen lassen. Nur ganz wenigen Patienten gelingt die Auferstehung frühzeitig, der "Rest" muss eben warten, bis das "Vertrauen der Anleger" verloren geht.

    Der "liebe Gott" der Toten ist von außen betrachtet der künstliche Archetyp Jahwe = Investor, der aus naiven Sparern "große Investoren" macht, die den Geldkreislauf verteuern, bis das Programm Genesis auf globaler Ebene zu teuer wird. Und wenn aufgrund der atomaren Bedrohung ein 3. Weltkrieg keinen Sinn mehr macht, was sogar geistig Tote begreifen, muss der "liebe Gott" kapitulieren und das veraltete Programm endlich löschen:

    http://www.deweles.de/willkommen/cancel-program-genesis.html

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  2. Dem Zitat von Arthur C. Clarke möchte ich mit den Worten von Douglas Adams antworten: "Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. - Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist."

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  3. Im Zusammenhang mit einer möglichen Übertreibungsphase in Bunds finde ich auch den, von Robert Rethfeld am Wochenende angesprochenen Titelblattindikator sehr interessant. Der Titel "Super Schweiz" des Magazins Bilanz und das Bild eines in Schweizer Flagge gehüllten Superhelden lässt jedenfalls an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig, obwohl das Blatt vielleicht nicht ganz die Auflage erreicht, um daraus eine krass euphorische Stimmung gegenüber dem Franken abzuleiten.

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