Friday, July 1, 2011

Euro-Bonds durch die Hintertür

Stell Dir vor, die Euro-Bonds werden eingeführt und keiner kriegt es mit! Investoren rund um den Globus begrüßen die "freiwillige" und "substantielle" Beteiligung des privaten Sektors an der Lösung der Griechenland-Krise. Solche "Beiträge" leisten die Banken aber gerne. Ein Essay über einen unglaublichen Vorgang.

Was genau wurde vereinbart: Fällige griechische Anleihen werden "planmäßig" zurückgezahlt. Den Erlös von 100% des Nennwertes behalten die Banken zu 30% und die restlichen 70% investieren die Banken "freiwillig" (deshalb braucht es auch eine Vereinbarung ...) wieder in Griechenland-Anleihen mi einer Laufzeit von 30 Jahren. (1. Nebenrechnung: 30% müssen also schon einmal von den anderen EU-Ländern finanziert werden)

Von diesen 70% müssen die Griechen 20% in eine Zweckgesellschaft (auch SIV genannt; das waren die Konstrukte, die uns schon einmal fast an den Rand des Finanzcrashs gebracht haben) einbringen, die die Mittel in EFSF-Bonds (also Bonds der Euro-Gemeinschaft) mit 30 Jahren Laufzeit investiert. Diese Bonds stehen den Banken in 30 Jahren als Garantie zur Verfügung, damit diese dann 100% Ihres Nennwertes zurückerhalten. Exkurs: so funktioniert der Zinsenzins. (2. Nebenrechnung: diese 20% werden ebenfalls von den EU-Ländern finanziert, da die Griechen ja kein Geld haben, um eine Zweckgesellschaft zu dotieren)

50% der fälligen Anleihen sind damit schon einmal unmittelbar EU-garantiert. Da man allgemein die Auffassung vertritt, dass im Pleite-Fall die Gläubiger Griechenlands mindestens auf 50% der Forderung verzichten müssten, ist dieses Minimalziel aus Bankensicht schon einmal gesichert. Ab jetzt wird es Tag für Tag nur besser!

Auf Verfall gerechnet ist nämlich die gesamte (!) derzeitige Nominalschuld Griechenlands, welche die Banken in ihren Büchern haben, direkt durch die EU-Staaten (30% Sofort-Rückzahlung) oder durch EFSF-Bonds garantiert. Würde dieses Schema in den nächsten Jahren "planmäßig" vollzogen, ist praktisch fixiert, dass sich die komplette Griechenland-Schuld in eine Euro-Gemeinschaftsschuld wandelt! Der Start in die Gemeinschaftsfinanzierung ist damit besiegelt!

Welches Risiko tragen dann die Banken noch: nun, faktisch nur noch das Risiko, dass sie die laufenden Zinszahlungen nicht erhalten. Es ist aber natürlich für einen Staat bzw. Schuldner immer leichter, nur die fälligen Zinsen zu erwirtschaften, als auch noch die anstehenden Fälligkeiten.

Beispiel: wenn im August 2011 eine Anleihe im Volumen von 10 Mrd. Euro zur Zinszahlung ansteht, beträgt der Finanzierungsbedarf bei 5% Kupon € 500 Mio. Muss die Anleihe auch zurückgezahlt werden, sind € 10.500 Mio. aufzubringen. Wollte ein Staat auf Sicht von 10 Jahren die Rückzahlung "sichern", müsste er in seiner jährlichen Budgetrechnung statt € 500 Mio. nun ca. € 1.500 Mio. erwirtschaften (1/10tel des Kapitals plus Zinsen). Es versteht sich von selbst, dass es den Griechen selbst bei schwächerer Wirtschaft sehr viel leichter fallen dürfte, nur die Zinsen zu erwirtschaften, als auch noch eine Rückzahlung zu sichern. Um die Rückzahlung bei diesem als "Pariser Modell" genannten Verfahren müssen sich die Griechen nun jeodch nicht mehr sorgen. Diese erfolgt nun durch die Euro-Staaten, welche ja die dazu vorgesehenen 20% bereitstellen!

Die Banken tragen deshalb faktisch kein Risiko mehr. Im Gegenteil. Sie sollen bei einer "Besserung" der griechischen Wirtschaft auch noch durch steigende (!) Zinszahlungen belohnt werden. Sollte sich die fundamentale Entwicklung in Griechenland tatsächlich bessern, würden die Banken doppelt belohnt. Ihre Anlagen werden sicherer und die Erträge steigen!

Eigentlich sollte es sich umgekehrt verhalten: je höher das Risiko, desto höher die Rendite. Ackermann & Co. haben es geschafft, dieses Prinzip erneut umzukehren! Ein unglaublicher Vorgang, dreist - mir fehlen fast die Worte. Aber war wirklich anderes zu erwarten (siehe "Dümmer geht's nimmer")?

In gewisser Weise ist es deshalb sogar verständlich, dass die Märkte (zunächst) freundlich reagieren. Wenn Geld von uns allen zu ein paar Wenigen privatisiert wird, dann ist Feierlaune verständlich. Sind unsere Politiker so blind, das nicht zu erkennen? Natürlich steht viel auf dem Spiel, natürlich wäre eine Pleite Griechenlands fatal. Aber ist der derzeit gewählte Weg die Lösung? In jedem Fall ist es ein ungeheuerlicher Eingriff in die Eigentumsverhältnisse von allen Bürgern! Wir sind in einem Ponzi Schema gefangen und als Wirtschaftsfachmann ist es ein schmerzhafter Vorgang, Tag für Tag mit anzusehen, wie sich unsere Wirtschaftsordnung mehr und mehr auflöst - und vor allem: dass dies so vorhersehbar geschieht (siehe sentix Jahresausblicke 2010 und 2011) - es läuft erschreckend "planmäßig". Für die Banken und die Finanzmärkte die "schönste Galgenfrist aller Zeiten" (Titel des sentix Jahresausblicks für 2011)

Doch das wird Ihnen der Banken-Volkswirt Ihres Vertrauens nicht sagen ...

Wie immer bleiben aus verhaltensorientierter (Behavioral Finance) Sicht aber ein paar Fragen offen, die zum Spielverderber für "Retter" und "Gerettete" werden könnten :
  • Was passiert, wenn der griechische Spar-Eifer nachlässt und / oder die Wirtschaft weiter schwächelt und Griechenland noch nicht einmal die Zinsen erwirtschaft?
  • Was passiert, wenn eine der "bösen" Rating-Agenturen die Aktion doch als Default wertet?
  • Was passiert, wenn die Märkte diese "Lösung" nicht nur für Griechenland, sondern auch für Portugal und Irland einfordern? Diese Bonds liegen ja auch unter Wasser und können aus Sicht der Banken ebenfalls "Sozialhilfe" vertragen. Wollen wir dieses Schauspiel der letzten Wochen und Monate immer wieder wiederholen?
  • Muss man Griechen-Bonds jetzt kaufen? Die Anleihen mit Fälligkeit Mai 2013 handeln noch immer bei Renditen von 25%. Gilt dieses verlockende Angebot eigentlich nur für Banken? Ok, die Verhandlungen werden immer nur mit einer kleinen, ausgewählten Elite im Hinterzimmer geführt, aber die Ergebnisse gelten für alle? Was ist mit den Klein-Investoren? Selbst wer nur € 1.000,-- dort investiert hat (wie zum Beispiel unser Ex-Finanzminister Eichel - Sie erinnern sich an die Handelsblatt-Rettungsaktion und unseren offenen Brief an Gabor Steingart, bei der unser "Eichel" seine ersten Investmenterfahrungen machte?), würde, wenn er sein Geld nicht zurück bekäme, ein Default-Ereignis auslösen
  • Würde jemand ernsthaft daran glauben, dass die vorgestellten "Maßnahmen" wirklich eine Rettung Griechenlands bedeuten, müsste man diese Bonds massiv kaufen, jedoch nicht (!) an der freiwilligen Lösung teilnehmen! Das wäre ein Geschäft. Oder deuten die Renditesteigerungen bei den Retter-Staaten darauf hin, dass durch diesen Deal alle in die Abwärtsspirale gezogen werden?
  • Gibt es noch irgendwo einen Politiker, dem die Systemtreue nicht so wichtig ist wie seine Verantwortung für Freiheit, Eigentum und Demokratie? Wenn ja: es wird Zeit zu handeln!

Intelligenz und gesunder Menschenverstand werden wohl nicht mehr von alleine Einzug in Regierungshandeln halten. Es wird deshalb Zeit, dass die Bürger endlich aufwachen und ein klares NEIN zu solcher Politik sagen. Der Souverän, der Eigentümer dieses Landes, ist gefordert!

Mein Appell an alle Leser: lassen Sie uns etwas gegen diesen Wahnsinn unternehmen. Ein erster Schritt könnte es für Sie sein, sich an dieser Petition zu beteiligen. Kontaktieren Sie Ihren Wahlkreis-Abgeordneten, lassen Sie uns Druck aufbauen, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Nie zuvor hatte ich das Gefühl, dass unsere Freiheit, unser Eigentum, unsere Demokratie und unsere Volkssouveränität so sehr in Gefahr sind, wie heute!

1 comment:

  1. Heißt das, wenn Griechenland seine laufenden Zinszahlungen aufbringen kann (etwa durch Einnahmen aus Privatisierungen, Sparmaßnahmen oder Steuereinnahmen einer sich erholenden griechischen Wirtschaft),
    und wenn auch die anderen überschuldeten Staaten beginnen, ihr Schuldenproblem zu lösen,
    dann wäre für Kleinanleger jetzt eine gute Gelegenheit, griechische Staatsanleihen zu kaufen?


    ...Übrigens, was ich schon immer mal wissen wollte:
    Wer kann eigentlich die in den Medien viel diskutierten Kreditausfallversicherungen kaufen?
    Dürfen sich damit nur Banken und Großanleger absichern?
    Wer sind die Emmitenten der Kreditausfallversicherungen?
    Und was ist, wenn diese Emmitenten Pleite gehen?
    Im Wikipeia-Artikel "Credit Default Swap" sind diese Fragen leider nicht beantwortet...

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