Deshalb beteilige ich mich derzeit an so mancher Webinitiative, um unseren Politikern mitzuteilen, dass ich das nicht gut finde. Auf eine dieser Online-Mail-Petitionen erhielt ich heute eine Antwort von der Partei der Grünen, übrigens die einzigen, die sich bisher auf diverse Mails von mir meldeten. Diese Mailantwort, zumal es sich um eine Standardantwort handelt, möchte ich hier wiedergeben. Ich tue dies, um allen Lesern nochmals die Dringlichkeit von außerparlamentarischer Opposition in dieser Frage nahe zu bringen. Denn offensichtlich kann oder will die Politik das Problem nicht verstehen - und deshalb wird es Beschlüsse geben, die für uns alle - besonders aber für unsere Kinder und Enkel - folgenreich und schwerwiegend werden dürften.
Ich habe mir erlaubt im Brief, farblich gekennzeichnet, meine Sicht der Dinge anzumerken.
Sehr geehrter Herr Hübner,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Sie haben Recht - die
Ereignisse in der Eurozone und die Entwicklung der Verschuldungs-, Finanz- und
Wirtschaftskrise sind besorgniserregend. Der wahrscheinlich größte Fehler der
Bundesregierung ist, dass sie den Menschen nicht genug erklärt, was auf dem
Spiel steht. So entstehen auch Gerüchte, die nicht der Wahrheit entsprechen. Punkt 1: Der ESM bedeutet keine Übertragung von nationalen Haushaltsrechten an Brüssel
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) stellt Kredite
für Staaten zur Verfügung, die zeitweise Schwierigkeiten haben, am Kapitalmarkt
Geld zu bekommen. Sollte es absehbar sein, dass der Staat seine Kredite nicht
zurückzahlen kann, darf der ESM kein Geld mehr geben und der Staat muss
Insolvenz anmelden. Dieses Insolvenzrecht wird gerade auf europäischer Ebene
erarbeitet ist die Garantie dafür, dass der ESM kein Fass ohne Boden
wird. Ein Fass ohne Boden ist er auch deswegen nicht, weil die Summe der deutschen
Gewährleistungen klar begrenzt ist. Über diese Summe entscheidet der Deutsche
Bundestag und sie kann nicht überschritten werden.
"Sollte es absehbar sein ..." - solche Formulierungen liebe ich. Zum einen unterstellen diese eine verlässliche Prognostizierbarkeit, die meist eben nicht gegeben ist. Oder warum tappen die meisten Ökonomen und Politiker bezüglich künftiger Wirtschaftsentwicklungen meist im dunkeln? Zum anderen kann mit Hinweis auf eine "günstige Prognose" jeder politische Wille begründet und damit die Nachschusspflicht abgeleitet werden. Tür und Tor sind der Willkür geöffnet. (Anm. MH)
Punkt 2: Der ESM enthält verbindliche Regeln zur
Beteiligung von Banken
Im ESM-Vertrag ist festgelegt, dass ein überschuldeter Staat
erst dann Kredithilfen aus dem ESM bekommt, wenn die privaten Gläubiger
(zum Beispiel Banken) beteiligt werden. Das ist richtig, denn wer Wertpapiere
eines Landes kauft und Zinsen kassiert, muss auch das Risiko eines Ausfalls
tragen. In den vorgesehenen Klauseln zu einer möglichen Umschuldung (Collective
Action Clauses), die nun bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden sollen,
wird ein Verfahren zur Beteiligung des Privatsektors festgeschrieben. Solch
eine verbindliche Insolvenzordnung ist ein zentraler Schlüssel zur
Stabilisierung der Eurozone. Zudem muss der ESM gegenüber anderen Gläubigern -
so wie im ESM-Vertrag bereits vorgesehen - im Falle eines Bankrotts des
betroffenen Staates bevorzugt werden. Damit haben Steuergelder immer Vorfahrt vor
privaten Geldern. Wäre es nicht besser, die Insolvenzordnung wäre schon bekannt und Bestandteil des Gesetzes? Wer verhindert Aufweichungen? (Anm. MH)
Punkt 3: Die umfassende Beteiligung des Deutschen
Bundestages an den Entscheidungen des ESM ist möglich
Die Regierung zankt seit Monaten mit ihren Fraktionen, wir
Grüne sagen wie es geht: Die bereits bestehenden Gesetze über die Mitwirkung
und Beteiligung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der EU (EUZBBG und
IntVG) müssen als Vorbild für die künftige Parlamentsbeteiligung beim ESM
herangezogen werden: Art und Höhe der deutschen Beiträge werden durch
Gesetz bestimmt und können nur nach einem Änderungsgesetz verändert werden.
Ebenso muss der Bundestag zustimmen, wenn dem ESM weitere Handlungsinstrumente
zur Verfügung gestellt werden sollen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung
vor jeder Anwendung des Rettungsschirms Einvernehmen mit dem Bundestag
herstellen. Der Bundestag muss sich zu ESM-Aktionen positionieren, ein
Schweigen reicht nicht aus!Wie verhält es sich dann mit den Gouverneursratsentscheidungen im ESM, die für alle Regierungen verbindlich sind? Kann der Bundestag auch die Regierung zwingen, den ESM zu verlassen?
Unterm Strich wird die Grüne Bundestagsfraktion der
Errichtung des ESM zustimmen. Wir glauben, dass er hilft, die Eurozone zu
stabilisieren und den Weg für mehr europäische Integration bereitet. Das kostet
Geld und Mut. Aber die Kosten des Nichthandelns wären größer. Viel zu eng ist
inzwischen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten, als
dass ein Herausbrechen einzelner Staaten ohne massiven Schaden für alle
Beteiligten möglich wäre. Und politisch brauchen wir eine starke und
handlungsfähige EU, um den globalen Herausforderungen begegnen zu können.
Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht –
wir brauchen Europa. Deshalb kann die Antwort auf die Krise nur heißen: mehr
Integration.
Nichthandeln ist in der Tat keine Option. Wie hoch die Kosten aber für die Euro-Rettung ausfallen, weiß ebenfalls niemand. Die CDU-Fraktion hat in ihrem Gesetzentwurf für den EFSF beispielsweise ausgeführt, dass die mittelfristigen Kosten nicht bezifferbar sind. Man könnte auch sagen: es kann ein Fass ohne Boden werden. Überhaupt ist feststellbar, dass fast ausschließlich politisch und nicht ökonomisch argumentiert wird. Politisches Handeln, welches zu ökonomisch nicht tragfähigen Konsequenzen führt, wird aber letztlich genau daran scheitern. "It's the economy, stupid"
Nichthandeln ist in der Tat keine Option. Wie hoch die Kosten aber für die Euro-Rettung ausfallen, weiß ebenfalls niemand. Die CDU-Fraktion hat in ihrem Gesetzentwurf für den EFSF beispielsweise ausgeführt, dass die mittelfristigen Kosten nicht bezifferbar sind. Man könnte auch sagen: es kann ein Fass ohne Boden werden. Überhaupt ist feststellbar, dass fast ausschließlich politisch und nicht ökonomisch argumentiert wird. Politisches Handeln, welches zu ökonomisch nicht tragfähigen Konsequenzen führt, wird aber letztlich genau daran scheitern. "It's the economy, stupid"
Mehr Integration heißt für die Grüne Bundestagsfraktion: Der
ESM kann nur ein Element der finanzpolitischen Zusammenarbeit in Europa sein.
Wir brauchen einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln zur
Vermeidung von übermäßiger Verschuldung, eine Wirtschaftsregierung, die
Fehlentwicklungen in einzelnen Staaten frühzeitig erkennt und eine Kultur
finanzpolitischer Verantwortung. Dafür muss sich die Bundesregierung in Brüssel
einsetzen – ohne Wenn und Aber.
Mit freundlichen Grüßen
Bündnis 90/Die Grünen
Bundestagsfraktion
Info-Service
Bundestagsfraktion
Info-Service
Ich finde ja schon einmal gut, dass die Fraktion der Grünen überhaupt geantwortet hat. Andere Parteien und Politiker, die die gleiche Mail von mir erhalten haben, haben sich bislang überhaupt nicht gerührt. Jeder Leser kann sich ja eine eigene Meinung hierzu bilden.
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