Friday, May 14, 2010

Ein schrecklicher Anfall von Overconfidence

Das heutige Interview des EZB-Präsidenten Trichet (Handelsblatt vom 14.05.2010) ist ein schreckliches Beispiel, wie Overconfidence zumindest die Außendarstellung negativ beeinflusst. Es steht zu befürchten, dass es jedoch nicht nur die Außendarstellung betrifft. Einige Passagen des Interviews sind es wert, kommentiert zu werden.

Anmerkung: zwischen der gedruckten Ausgabe des HB und der ePaper-Version gibt es erhebliche, bei einem so wichtigen Interview eigentlich kaum verständliche Abweichungen. Von der Überschrift bis zu Fragen und Antworten reichen die Unterschiede. Dadurch verändert sich auch der Tenor des Interviews. Leider ein Zeichen dafür, wie die Medien Meinung machen. Die nachfolgenden Zitierungen beziehen sich auf die gedruckte Ausgabe.

Frage: "Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst? Drei Tage vorher (Anm. EZB-Sitzung) war davon noch keine Rede."

Trichet: "Wir befanden uns ab Donnerstagnachmittag plötzlich in einer Situation, die wir als fundamental anormal empfanden"

Wow, in weiteren Passagen wie auch in jeder EZB-Sitzung betont Hr. T. gerne, dass die EZB alle Faktoren abwäge und keine Fehler mache. Und dann wird die EZB einfach mal so von einer Bewegung überrascht, die schon zwei Wochen läuft. Und was war Donnerstagnachmittag plötzlich anormal, was nicht Tage zuvor schon zum Himmel stank?

Frage: "Ist das möglich (die durch die Anleiherückkäufe entstehende Liquidität wieder einzusammeln)?"

Trichet: "Natürlich. Technisch ist dies möglich. Wir wollen das so."

Jawoll, weil die EZB es will, geschieht es. Solange die Marktteilnehmer grundsätzlich Vertrauen in den Euro haben, aber z.B. nur Griechenland nicht mögen, werden Sie Griechenbonds verkaufen und auf das EZB-Angebot einer Termineinlage eingehen. Was aber, wenn die Anleger den Euroraum verlassen? Dann muss die EZB entweder am Devisenmarkt intervenieren oder akzeptieren, dass die Liquidität global ansteigt und in andere Assets geht. Oder die Anleger ziehen ein Euro-Aktienengagement dem EZB-Festgeld vor. Dann erzeugt die EZB eine Liquiditätshausse. Um diese zu verhindern, müsste sie den Zins für das Festgeld erhöhen.

Herr T. hätte "technisch möglich" durch "theoretisch möglich" ersetzen sollen. Nur wenn die EZB höhere Reservesätze anordnet, hat sie ein wirksames Mittel, die Liquidität wieder einzusammeln. Aber mit "Festgeldangeboten" überlässt sie letztlich dem Markt, wo er die Liquidität wieder einsetzt. Faktisch sind die EZB-Maßnahmen deshalb sehr wohl eine geldpolitische Änderung. Und falls nicht, falls alles so leicht wäre: warum hat die EZB nicht den starken Zinsanstieg in Griechenland verhindert und vorher schon eingegriffen? Insbesondere, da er ja später im Interview sagt, alle Maßnahmen seien "mit dem Buchstaben und Geist des Maastricht-Vertrages vollständig im Einklang". Wir hätten uns dann viel Ärger erspart - also was ist nun richtig, Herr T.?

Frage: "Ist Griechenland ein Einzelfall?"

Trichet: "Grienchenland WAR eindeutig in einer außergewöhnlich schwierigen Situation".

Hallo Herr T., Sie verwenden die Vergangenheitsform? Habe ich etwas nicht mitbekommen?

Frage: "Sehen Sie Risiken für den europäischen Steuerzahler?"

Trichet: "... dass es keine Risiken für den europäischen Steuerzahler gibt, sofern alle betroffenen Regierungen ihren Verpflichtungen glaubwürdig Folge leisten. Sie müssen dazu stehen. Sie müssen sich selbst gut benehmen ..."

Danke, Herr T., dann bestehen ja nur sehr geringe Hoffnungen auf Besserung. Wie soll irgendjemand daran noch glauben, wo doch seit Jahren nur noch getrickst, gelogen und betrogen wird?

Frage: "Und gilt das (dass die Glaubwürdigkeit der EZB nicht gefährdet ist) auch seit der Entscheidung vom Wochenende?"

Trichet: "... Wenn nötig treffen wir unsere Entscheidungen schnell, wie 2007 und 2008, aber wir verlieren nie die Orientierung ..."

Naja, 2007 hat die EZB zur Unzeit die Zinsen erhöht und erst, als der Bär schon tobte, mit Zinssenkungen begonnen. Schnell entscheidet die EZB eigentlich nur, wenn die Hütte bereits brennt (wie ja gerade die abgelaufene Woche zeigte).


Lange Rede. kurzer Sinn: das Interview von Herrn Trichet ist ein einziger Offenbarungseid. Eine Offenbarung der Overconfidence, der Überheblichkeit und der Unredlichkeit der Öffentlichkeit gegenüber. In einem hat Herr Trichet recht: "wir müssen alles verbessern" - das gilt offensichtlich auch für die EZB selbst!

1 comment:

  1. Dieses Interview zeigt nur eins:
    Wann die Spülung gezogen wird, bestimmt die EZB weder, noch weiß sie es im Voraus.
    Das ist eine Entscheidung, die ganz woanders und zwar in den oberen Etagen der größten Privatbanken getroffen wird.
    Die EZB kann nur so tun, als hätte sie die Lage im Griff und von der Qualität des Schauspiels hängt alles ab.
    Da hat unsere Kanzlerin mehr Biss bewiesen, als sie sich für das Verbot ungedeckter Leerkäufe einsetzte.
    Wo gibts denn sowas?
    Ich verkaufe ein Fahrrad, was ich garnicht besitze und das noch nicht einmal existiert?
    Ganz einfach:
    Im Strafrecht gibts das und der Tatbestand nennt sich schlicht und ergreifend Betrug!

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