Sehr geehrter Herr Steingart,
heute morgen rufen Sie auf Seite 1 des Handelsblattes (vom 03.05.2010) zur Solidarität mit Griechenland auf und präsentieren uns eine Reihe Prominenter, die aus Solidarität zu Griechenland jetzt in griechische Staatsanleihen investieren wollen. Welche Art Solidarität üben Sie damit eigentlich aus? Und was ist mit der Solidarität gegenüber Ihren Landsleuten?
Wenn Willi Lemke schreibt, er investiere jetzt in griechische Anleihen, damit er den Griechen noch ins Gesicht sehen könne, dann frage ich mich, wie eine griechische Regierung, welche die europäische Gemeinschaft seit Jahren hinters Licht geführt hat, noch einem EU-Bürger ins Gesicht schauen kann. Wie können unsere gewählten Volksvertreter, auf nationaler oder EU-Ebene, noch ihren Wählern ins Gesicht schauen, nachdem sie jahrelang weggeschaut haben, diesen Betrug und damit die Unterwanderung des Euro erst möglich gemacht haben. Diese Damen und Herren müssen sich erklären, bevor dem Steuerzahler Lasten aufgebürdet werden. Denn die größte Gefahr für den Euro kommt aus zerstörtem Vertrauen. Und dies ist nicht nur eine Frage der Verschuldung, sondern auch eine Frage der Glaubwürdigkeit in die politische Führung.
Mit dieser Aktion wollen Sie, Herr Steingart, für Solidarität mit dem griechischen Volk werben. Schön und gut. Aber wie ist es mit der Solidarität gegenüber den EU-Bürgern anderer Staaten bestellt, die wenig besitzen und denen jetzt pro Kopf etliche Euro Schulden extra aufgebürdet werden.
Die Griechenland-Aktion offenbart das gehörige Demokratiedefizit der EU, nachdem in einer Nacht und Nebel-Aktion nun der Stabilitätspakt ausgehöhlt und der Weg in die Transfer-Union endgültig geebnet wurde. Aber was will man von einer Politiker-Kaste auch erwarten, deren finanzieller Sachverstand sich darin äußert, bis zum Ruhestand mit dem ersten Kauf eines Wertpapiers zu warten, um dann als erstes bei Griechenland zuzuschlagen.
Es ist übrigens bemerkenswert, mit welcher Überzeugung die von Ihnen als Unterstützer präsentierten Prominenten jetzt bereit sind Griechenland zu helfen. Die eingesetzten Summen werden mobilisiert, nachdem die Hilfen unter Dach und Fach sind und damit das Risiko bereits beträchtlich reduziert scheint. Zudem stellen die investierten Summen für die Betreffenden keineswegs signfikante Beträge dar. Würden diese sachkundigen Menschen tatsächlich von der Bonität Griechenlands überzeugt sein, müssten sie bei dem aktuellen Renditeniveau eigentlich deutlich höhere Beträge einsetzen. Doch soweit reicht das Vertrauen nicht. Vielmehr betätigen sich die Genannten jetzt selbst als Spekulanten. Mal gespannt, aus welcher Kasse die Zinsen bezahlt werden oder in welcher Steuererklärung die Verluste verrechnet werden. Eine einfache, bedingungslose Spende an die griechische (oder besser noch: an die deutsche!) Staatskasse wäre ehrlicher gewesen.
Ihrem Hinweis, Herr Steingart, die Rettung des Euro und der europäischen Idee rechtfertige die Hilfen der EU-Staaten, mag ich nur entgegen, dass nichts der europäischen Idee mehr geschadet hat, als die Missachtung der vertraglichen Grundlagen unserer gemeinsamen Währung.
Aufmerksamkeitsheischende Aktionen, wie die des Handelsblatts, erscheinen bei diesem Lichte betrachtet nur noch lächerlich.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hübner
A very good reply to the Handelsblatt article. I fully agree with Mr. Hübner and the points he made. Considering the situation we are in right now and the decade long history of the Euro, I wonder how future economists and historians will think and judge about May 2010? Will they say it was the turning point in the history of the european currency experiment and the begining of its demise? I hope not, but I fear things might play out like this.
ReplyDeleteDas Ganze ist ohnehin eine Farce. Gut nur, dass ich mit einem Click aus dem Euro raus bin - falls nötig. Tja, gut auch, dass ich meine Zeit nicht mit dem Handelsblatt verschwende.
ReplyDeleteDie Griechenlandkrise in die nun weitere Staaten im Euroraum hineingezogen werden zeigt doch neben der Finanzkrise nur, dass der Kapitalismus in seiner jetzt probagierten Form der Kloballisierung nicht funktioniert. Zu Recht wehren sich die "Südstaaten" gegen die Ausbeutung ihrer Bevölkerung durch die Unternehmen, wie sie zum Beispiel in Deutschland durch Minilöhne und Zeitarbeit zum reinen Wohle des Export dient. Jeder sollte sich ein Beispiel an Chávez in Venezuela nehmen, der gegen den amerikanischen Finanzkapitalismus jüdischer Prägung das bestmögliche für seine Bevölkerung tut und nicht wie die angelsächischen Regierungen das bestmögliche für die Globalplayerunternehmen. Insoweit ist die griechische Bevölkerung für ihren Aufstand zu bewundern. Und was einen wachsweichen Euro betrifft: let's get us now. Wer so dumm wie Deutschland ist, sich auf Kosten seiner Nachbarn durch Niedriglöhne zu bereichern, sollte die Folgen durch Euroabwertung und Zuschüsse auch mittragen müssen.
ReplyDeleteEin wirklich offener Brief in mehrdeutiger Hinsicht. Doch was wird er bewirken? Mein Vater pflegte zu sagen 'Der Mensch lernt nur durch Schmerzen'... und das tut er tatsächlich. Solange nichts wehtut, geht der Krug weiter zum Brunnen.
ReplyDeleteMarktwirtschaft ist ein uraltes System. Es funktioniert schon seit der Urgesellschaft. Immer wieder sind diejenigen unsanft auf den Boden zurückgeholt worden, die aus Marktwirtschaft eine Einbahnstraße zu ihren eigenen Gunsten machen wollten.
Think twice: The EUR/USD is now 1,27. A year ago, this was called the "comfort zone" for the European economy. And the retreat is corrective, no impulse. So, relax...
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